Voller Schreibtisch und auswandern

Mein Schreibtisch ist voll, seufzte Erich H. damals und blickte nachdenklich in den Fernsehschirm. Erich, es sieht dich keiner, tröstete Margot, du kannst dich entspannen, das ist keine Kamera und du musst weder eine Rede halten, noch auf sauberen Schreibtisch machen.
Meine Mauer ist weg, jammerte Erich, und Tränen flossen über seine sozialistisch gemeißelten Falten und Gruben.
Erich, das war nicht deine Mauer, das war die Mauer von dem Spitzbart, dem Ulbricht, wispert Margot und streichelt sanft über Erichs ergrautes und schütteres Haar.
Aber der Weg ist frei in den Westen, Erich. Margot lächelt verschmitzt. Gut, dass sie alle Insassen der Jugenderziehungshöfe freigelassen hatte, kurz bevor die Mauer, dieses morsche Stück Beton, gefallen war, da konnte man sie nicht in Den Haag anklagen, und ehrlich gesagt, war das ja auch nichts gegen die Menschlichkeit, so eine richtige Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit, wo man eben nicht zimperlich war, sondern auch schon mal zeigen musste, wo's langging.
Südamerika, Erich, da geht's lang, da wolltest du doch immer mal hin!
Erich grübelt: Sind da nicht auch die vielen Nazis hingeflohen, damals nach dem Endsieg?
Erich, es gab keinen Endsieg, aber sonst hast du recht.
Margot, meinst du denn, das geht, wir und Nazis? Erich ist verunsichert.
Das passt schon, beruhigt Margot, irgendwie war da ja auch nicht alles schlecht. Genau wie bei uns.
Margot, ich weiß nicht, gibt es keine andere Lösung?
Margot antwortet, ein bisschen zu schnippisch vielleicht: Dann räum deinen Schreibtisch auf!
In Ordnung, dann lass uns eben nach Südamerika fahren. Beruflich kann ich hier auch nichts mehr werden und ich habe ja auch nur Parteivorsitzender gelernt. Die FDP hat schon einen, aber , weißt du, Margot, die könnte ich vielleicht so richtig groß machen. FED. Das wär's, das klingt gut.
Erichs Augen glänzen.
Margot verschwindet ins Schlafzimmer: Ich pack schon mal die Koffer!