Auf dem Lande beobachtet: Was Landschaft erzählt


Wie das Land, so das Volk, das auf ihm lebt.
Die knarzigen Kopfweiden neigen sich dem Fremden zu, kahl rasiert wie der Wirt der Dorfkneipe, der seinen Mann an der Theke steht, als sei er mit Karabinerhaken arretiert, der den letzten Gast nicht allein lässt und ihn weckt, wenn sein Kopf auf die Tischplatte sinkt, sich sein vollgekritzelter Bierdeckel in die Stirn presst.
Die archaischen Bäume grüßen den Autofahrer, der vielleicht nur mal links oder rechts abbiegen will, und bringen ihn zum Nachdenken: Was für eine Landschaft? Hier hat das Leben begonnen, hier wird es enden. Der Stacheldraht erinnert an die Beengtheit allen Seins, an die individuelle Beschränktheit, die Begrenztheit, die deutlich macht: Bis hierher und nicht weiter. Alles hat mal ein Ende.
Dort die fröhliche Birke, deren Zweige im Wind wippen, sie ruft uns zu: Nehmt das Leben leicht, lasst mal wieder was wippen!
Die Verkehrsschilder, die unbeirrbar mahnen, dass auch anderen Vorfahrt zu gewähren sei, trotzen dem städtischen Egoismus, der sich nur seinen Vorteil erkämpfen will. Das trübe Grün der Wiesen weiß zu erzählen: Es ist nicht alles grün, was grün aussieht. Manchmal ist es verwaschen, manchmal grau. Was bunt ist, muss noch lange nicht Heiterkeit symbolisieren. Die Schwere des Lebens immer im Kontrast mit der Leichtfertigkeit und der Heiterkeit, die die Schwere erst erträglich machen. Der nasse Asphalt schmatzt unter den Reifen. Auch hier hat die Zukunft bereits begonnen und sie lädt nicht ein zum Verweilen, sondern führt uns weg in unbekannte Gefilde, vielleicht ins Nachbardorf, wo sich auch ein entschlossener Kneipenwirt an die Theke krallt und nicht untergehen weil, nicht aufgeben, nicht scheitern will, sondern seinen Wirt steht, wie es auch sein Vater und sein Großvater getan haben und von ihm erwarten.
Einzig Trost spenden die Fahrbahnbegrenzungstreifen in ihrem unschuldigen Weiß. Es gibt ein Leben jenseits des Horizonts, scheinen sie zu versprechen, während gedankenlose Autofahrer mit schmutzigen Reifen Spuren auf ihnen hinterlassen.