Hörbücher sind im Kommen

Wer hat heute noch Lust, lange Texte zu lesen, wenn es eine bequeme Alternative gibt: Das Hörbuch? Wie mühsam konnte es sein, Buchstabe für Buchstabe zu entziffern und dann in ein Wort umzuwandeln, ein Vorgang, der Belesenen vielleicht selbstverständlich erscheint, für denjenigen, der gerade mal die Angaben auf einer Briefmarke entschlüsseln und für sich verwerten kann, eine Heidenarbeit. Unvorstellbar, welche Zeit verstreichen müsste, um einen Ken Follett mit 1200 Seiten zu verarbeiten, die Lebenszeit könnte knapp werden. Je langsamer sich der Leser durch den Text quält, desto mehr verliert er den roten Faden, vor allem, wenn erst mal keiner zu entdecken ist. Oft hat der arme Mensch, der eben nicht nur Fernsehen gucken oder vor dem PC spielen will, in Zeile 17 schon vergessen, was in Zeile 5 gestanden hat, und dann heißt es: Von vorne beginnen. Das motiviert nicht.
Der Buchhandel hat diese Tragik erkannt und darauf mit Hörbüchern reagiert. Endlich habe ich jemanden gefunden, der mir etwas vorliest, sagt mancher, und hat vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben die Erfahrung gemacht, wie intim es ist, wenn eine andere Person einen Text in sein Ohr säuselt. Die Oma, der diese Aufgabe in seiner Kindheit zugestandene hätte, hat vielleicht damals auch nur vor dem Fensehapparat gehockt und Was bin ich? Oder Daktari geguckt. Da blieb keine Zeit für ein gutes Buch
Hörbücher wirken insgesamt kürzer als die Romanvorlagen, auch wenn Lesezeiten wie 68 Stunden auf 19 DVDs natürlich erstmal abschrecken. Es geht auch kürzer. Ein gutes Beispiel ist der straffe Roman „Ödland“ von Georg Krakl aus dem Jahr 1971, der jetzt als Hörbuch vorliegt. Er stammt aus der Trilogie „Romane mit Ö“. Zuerst schreckt das Wort Roman ab, man glaubt an einen Text, der mehr als 100 Seiten hat, dann schreckt auch das Wort Trilogie, was bedeutet, dass es mindestens drei Werke sind, die mehr als 100 Seiten haben. Das Hörbuch jedoch entspannt: Ödland ist im Nu gehört, der Leser lernt eine neue Kategorie des Romans kennen, und wird sich nicht scheuen, auch die beiden Folgebände „Ödem“ und „Ödipus“ zu konsumieren. Da macht Literatur Spaß.
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