Familiendramen: Das schönste Foto

Es war in irgendeinem kalten Sommer in dem Langeweiledorf an der Nordsee, ich war mit Mutti und Vati und Axel da, wobei es eigentlich egal war, ob ich mit war, denn die anderen ignorierten mich wie sie mich im Alltag ignorierten, ohne dass sie jemals gesagt hätten, warum. Ich bin nie auf Fotos erschienen, wurde nicht in der Hauschronik erwähnt, so als sei ich nie da gewesen.
Ich muss mich korrigieren: Sie erinnerten sich meiner, wenn sie etwas gebracht bekommen wollten: Hol doch Axel mal einen Doughnat, sei so gut. Ich selber durfte mir keinen mitbringen. Mach doch mal ein Bild von uns, komm, so schön wie wir hier im Urlaub sind, uns erholen und uns lieb haben. Ich habe Tausende von Fotos gemacht, nie bin ich auf einem gewesen, denn ich war immer derjenige, der die Bilder macht, der den Apparat mit dem Finger auslöste, der immer hinter der Kamera stand oder saß.
Mein schönstes Foto heißt: Mutti und Vati und Axel. Es hängt vor meiner Kloschüssel und dahinter, so dass ich es im Sitzen und im Stehen betrachten kann. Ich habe es mit meinem Fotobearbeitungsprogramm grün gefärbt, so als dürfte ich mich nicht grün ärgern, wenn ich über damals nachdenke. Mutti und Vati und Axel. Die Eltern sind nur von hinten zu sehen, ihre Schokoladenseite. Axel- Wo ist Axel? Der ist auf dem Bild gar nicht drauf, und das ist so schön! Mutti und Vati und Axel, und Axel ist nicht drauf. Es hat bisher noch niemand bemerkt, der meine Toilette benutzt hat. Alle denken und manche sagen: Was für ein schönes Foto! Für mich ist es mein schönstes, denn Axel ist nicht mit drauf. Vielleicht holt er gerade einen Doughnat für mich, ich glaube es allerdings nicht.
Jim R.