Martinstag im Tierreich

Auch im Tierreich wird der Martinstag gefeiert. Zwar laufen die Zeitgenossen nicht von Tür zu Tür, um durch schrägen Gesang die Menschen so zu erschrecken, dass sie mit Süßigkeiten auf Plastiktüten in Händen von Kindern zielen, aber sie gedenken dem Mantelteiler und Bischof von Tours, der seinerzeit einem Bettler die bessere Hälfte seiner Robe überließ.
Sogar der Goldkäfer, der das ganze Jahr kein Wort rauskriegt, weil er Angst hat, man würde ihn wegen seines Goldes klauen und dann sei weg, gibt da, wo es nötig ist und da, wo es geht.
Erst in diesem Jahr kam er an einem einsamen Tisch in einem Ausflugslokal in Brandenburg vorbei, das sich auf dem Gelände einer Schrebergartenanlage befand und in das sich aus diesem Grunde niemand traute. Dem armen Tisch fehlte ein Bein, sodass er immer wackelt und, wären Gäste da gewesen, sich niemand an ihn gesetzt hätte, weil man ja an wackligen Tischen schnell sein Kaltgetränk verschütten kann.
Der Goldkäfer aber sprach: "Armer Tisch, dir fehlt ein Bein, sodass sich niemand an dich setzen will, weil er Angst hat, sein Kaltgetränk zu verschütten und überhaupt sich gar nicht traut diese scharf bewachte Schrebergartenanlage zu betreten? Nimm eines von meinen, ich habe derer acht und kann auf sieben immer noch prächtig stehen ohne zu wackeln."
Der Tisch dankte es dem Goldkäfer und hörte fortan auf zu wackeln, sodass sich endlich Menschen mit Kaltgetränken setzen konnten oder so ähnlich.
Der Goldkäfer aber merkte erst zu Hause, dass er in Wirklichkeit nur sechs Beine gehabt hatte. "Na, sei's drum, auf drei Beine mehr oder weniger kommt es ja auch nicht an", sprach und dachte, dass er jetzt ja auch viel weniger Beinsalbe verbrauchen würde, was seinen Spartopf erheblich füllen könnte, denn nicht alles ist Gold, was glänzt, und da muss man eben auch fürs Alter vorsorgen.
Der selige Martin schaute aus dem Himmel und dachte, dass das doch tierisch lieb gewesen sei von dem Goldkäfer, einem Tisch, an dem niemand sitzen wollte, ein Bein zu spendieren.