Pawel Pikass - Der Junge mit dem Muttermal


Pikass hat sich in seinem Bild der stigmatisierten Menschen angenommen. Muttermale, früher auch Schönheitsflecken genannt und manchmal sogar künstlich auf die Backe getragen, gelten heute in der Sonnenstudio-Kultur als unschön. Mancher versucht sie in Spezialgeschäften wegschleifen oder weglasern zu lassen, häufig ohne Erfolg. Pikass bricht eine Lanze für diskriminierte Menschen in einer Welt, die sich keine Makel leisten will. Das Muttermal wird hier zur Ikone, gemeinsam mit dem stillen Gesicht, das in versunkener Trauer über das eigene Los der Mutter gedenkt, der die Natur ein Denkmal gesetzt hat. Weg sind die Beschimpfungen der Kinderzeit: Muttersöhnchen! Kannst deiner Mutter mal einen Gruß bestellen! Muttermal,Muttermal, ist doch völlig illegal!, und ähnliche Sätze drangen an das Ohr des Gequälten bereits in Kindergarten und Vorschule und prägten den Charakter früh.Nächstes Jahr mit dem roten Fleck im MOMA zu hängen, das wär was. Da würde sich Mutter freuen, denkt unser Befleckter vielleicht, da würden alle bösen Stimmen verstummen. Da wäre ich rehabilitiert. Und dann das Bild verkaufen, richtig Kasse machen und mit Mutter eine Weltreise oder ein Häuschen auf Mallorca kaufen, auch wenn da jetzt die Russen eingefallen sind. Mutter, we can.
Der Betrachter bleibt stumm und versunken, er hat es vielleicht leichter gehabt oder hat zu denen gehört, die „Muttermal, Muttermal, tankt bei Shell und nicht Aral“ gerufen hat.