Kräuterlikör und Bewusstseinserweiterung

Der Raum so weiß, die Welt so entrückt. Kai zitterte leicht, ein Schauder lief seinen Rücken hinunter, die Realität löste sich auf. Kräuterlikör aus Braunschweig. Er sah Ela auf dem Teppich liegen, sie hatte eine kleine Flasche des Getränks im Mund und schluckte es lethargisch. Auch sie sah jetzt vielleicht weiß, oder schwarz. Frauen sahen meistens schwarz.
Dass Kräuterlikör diese Wirkung haben  würde, hatte er nicht gedacht. Dieses reaktionäre Gesöff, das nach nicht bestandener Jadprüfung, Drillingen und Hirschgeweihen roch, nach toten Tieren, die dem Grünrock blutig an der Hose baumelten.
Das alles hatte er in der ersten Phase des Kräuterlikörtrinkens gesehen.
Kai roch an seinen Händen. Kein Schmauch zu schnuppern, er hatte nicht geschossen. Kein süßlich-metallischer Blutgeruch. Der starre Blick eines Feldhasen.
Wo war die Drillingsbüchse? Hatte Ela nicht damit herumgespielt, in Phase zwei? Als hysterisches Lachen die Situation bestimmte? Eine Kellerassel war unter dem Zeitschriftenständer hervorgekommen, und, genau, Ela hatte geschossen, einmal, die Zeitungen waren zerfetzt, die Fetzen waren herumgeflogen. Ein Schuss. Oder waren es zwei gewesen? Kai lag auf dem Teppich. Ela lag auf dem Teppich. Sie hatte die kleine Flasche immer noch zwischen den Lippen. Alles weiß. Elas Augen schwarz, die Lippen schwarz, die Flasche.
Ela musste schwarz sehen. Kai weiß. Das war das Komplementäre. Das war die Aufhebung der Gegensätz. Yin und Yang. Weiß, dachte Kai, ich weiß, dass Weiß meine Farbe ist, das Schwarze ist weiblich.
Die Komplementarität des Kräuterlikörs, wie schön das klingt, dachte Kai. Dann war alles weg. Ela und die Flasche. Das Schwarze. Alles war jetzt grau. Grauen.
Kräuterlikör.