"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Der Gang ist ohne Ziel


Wir Suchenden haben uns immer von der östlichen Weisheit "Der Weg ist das Ziel" irreführen lassen, weil wir westliche Weisheit für schnöde und trocken und völlig unweise hielten. Der Osten mit seinen kryptischen Sprüche verleitete uns, auf Wanderschaft zu gehen, wahllos in der Gegend herumzustapfen, uns zu ärgern, wenn keine zufriedenstellenden Markierungen zu finden waren, auf den Tisch zu hauen, wenn die Weizenbierbude dicht hatte, obwohl wir verschwitzt und erschöpft an die Pforte klopften und unser wohlverdientes Getränk einforderten.
Kluge Männer des Westens hatten immer gewarnt: "Lauft nicht so viel in der Gegend herum, es gibt sowieso gleich Abendrot und dann wird es Zeit, sich aufs Ohr zu hauen." Viele Suchende verstanden, es gebe gleich Abendbrot, und konterten ironisch: "Eine Pizza mit ordentlich Ketchup obendrauf wäre uns lieber!"
Wie der Prophet im eigenen Lande nichts gilt, so mussten auch die ortsansässigen Weisen das Abendrot alleine genießen, während die Unbelehrbaren Lernen durch Erfahrung trainierten, was ja bekanntlich die härteste Form des Lernens ist.
Dass ein Weg nicht gleichzeitig das Ziel sein kann, ist ein Paradoxon, das es aufzulösen gilt, meint der Östler, nämlich durch permanentes Herumgehen. Dabei ist es doch völlig egal, ob ich drei Minuten herumgehe oder fünf Tage. Bereits nach einer Minute habe ich das Ziel  erreicht, denn ich bin auf dem Weg.
Der Osten hat allerdings nicht damit gerechnet, dass manche Wanderer nicht nur unbelehrbar, sondern auch noch hartnäckig wie eine Wurzelbürste sind. Sie wandern und wandern, bis dem Ostphilosophen der Weg ausgeht. Denn, wie der Westler weiß, es heißt: Nichts ist unendlich. Irgendwann ist auch dein Weg mal zu Ende. Der Weg ist weg!, schreit dann der Suchende und besinnt sich schnell auf westliche Philosophie, die den Ball etwas flacher hält: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wo auch der Wille fehlt, kannst du ruhig umkehren.
Boah, das ganze Stück zurück?, grunzt der Ex-Ostesoteriker.
Ein Trost bleibt ihm: Er ist sowieso nur im Kreis gelaufen und dann falsch abgebogen. Die Hoffnung: Vielleicht merkt er das sogar. Der Glaube: Wahrscheinlich nicht.