Böse fremde Männer und böse fremde Frauen

Man hatte uns Jungen beigebracht, nicht mit fremden Männern zu sprechen, denn fremde Frauen waren, das soll in ihrer Natur gelegen haben, von Natur aus. Fremde Männer trugen Trenchcoats oder dunkle Mäntel und eventuell verspiegelte Sonnenbrillen. Was genau die fremden Männer von uns wollten, wussten wir nicht, wir dachten an einige Märchen, da wurden Kinder gefressen; in den Märchen spielten auch Frauen mit, denn die Männer konnten nicht kochen. In Märchen gab es sowieso mehr böse Frauen, die Männer waren eher dumm oder gutmütig, in manchen Fällen sogar beides. Eine fremde Frau aber durfte einen immer anprechen, häufig genug war es eine Kindergärtnerin, die einen zwingen wollten, eine dieser langweiligen Spielgeräte zu benutzen, an denen man Schlange stehen musst, weil natürlich alle - aus Gleichbehandlungsgründen - gezwungen worden waren. Häufig liefen die Kinder dann weg und erzählten zu Hause, sie seien von einer fremden Frau angesprochen worden und das hätten sie doch nicht zulassen dürfen. Die Elter erklärten, dass es sich um die Kindergärtnerin gehandelt habe und dass die völlig harmlos, fast schon langweilig sei, so gut sei die. Besonders zu Kindern. Damals gehorchten wir und gingen weiter in den Kindergarten, bis Tante Thea uns nicht mehr fremd war.Auch in der Schule wurde man von fremden Frauen angesprochen; die Männer, die das taten, sagten vorher ihren Namen und dass sie jetzt sagten dürften, wo es lang gehe.
Später sprach keine fremde Frau die Kleingewesenen und jetzt erwachsenen Männer mehr an, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschten. Höchstens wenn sie an der Bar eines zweifelhaften Etablissements saßen und in ihr leeres Whiyky-Glas stierten. Für den Fall, dass ein fremder Mann kam, hatten sie ihren Spruch gelernt: "Ich spreche nicht mir Fremden, ich muss nach Hause, meine Mutter holt mich jeden Moment ab."