Ich sehe was, was du nicht siehst

Die Psychologen grinsen, wenn sie fragen: Was sehen Sie da?
Der Patient bemüht sich und will gut rüberkommen. Er hat Lebenserfahrung und immer wieder zwischen den Krisen nachgedacht.
Das ist Acrylfarbe.
Das reicht dem Psychologen nicht.
Rot und Indischgelb und Schwarz.
Gut, nickt der Psychologe und will eine Äußerung als solche erst mal verstärken, damit der Befragte dranbleibt.
Und sonst?
Was und sonst? Der Patient wird ungeduldig, denn er weiß, was der Psychologe hören will.
Ja, geschmiert eben. So hin und her, wahrscheinlich mit einem Spachtel. Postkartenformat, damit's nicht zu teuer wird, damit es schneller fertig ist. Damit man es auch als Postkarte wegschicken kann. Damit es in einen Briefumschlag passt. Noch was?
Leichte Aggression schwingt mit.
Der Psychologe, vielleicht ist der auch Psychiater, nickt versonnen. Ja, ja.
Sonst fällt ihnen nichts ein? Das ist immerhin eine Art Tintenklecksgeschmierezufallstest, bei dem die meisten Menschen interessante Dinge erkennen: Ihren Opa unten links, sich selbst rechts, wenn sie Männer sind, sich selbst links, wenn sie Frauen sind und von Männern gern angemacht werden wollen, so auf die harte Tour, dass der den Macho raushängen lässt, nicht auf die Weicheifrauenverstehertour, die doch allen jetzt wirklich zum Halse raushängt, so richtig nach dem Motto: Hallo, Schätzchen, jetzt stell dich mal nicht so an, ich weiß doch, was du willst und du willst es von mir. Also, was sehen wir hier?
Der Psychologie starrt den Patienten an. Wir haben noch zehn Minuten Zeit.
Nüscht, sagt der Patient.
Sie sind bekloppt, sagt der Psychologe, sogar ich sehe da doch was.

Die Zeiten, in denen man Bescheuertsein finanziert bekam, sind vorberi. Heute müssen auch die professionellen Berater um die Menschen ringen, die sie behandeln wollen.