Damenschuh


Damenschuh. Das war sein Thema gewesen, ein Leben lang.
Betti mit den High Heels hatte ihm damals ihren Absatz, dieses spitze, lange Ding, direkt auf die rechte Hand gesetzt und ihr ganzes Gewicht von 72kg daraufgelegt, darauf konzentriert, auf diese Fläche von vielleicht 10mm2, mit einem Druck, der einer Tonne glich. Da hatte er sich gefühlt wie der Ausländer bei der Kreuzigung. Die Römer kreuzigten nur Ausländer, nie die eigenen Leute, das wusste er.
Nur war Betti kein Legionär, der Nägel einschlug. Betti war seine Liebe.
Nur war er nicht Bettis Liebe. Sie hatte ihm eine Grenze aufgezeigt.
Betti, deren Name doch eigentlich Programm war. Sie hatte einen anderen gewählt. Vielmehr einen nach dem anderen.
Nur er war nicht in ihrer langen Reihe vorgekommen, sie hatte nie eine Andeutung gemacht, dass er sich hätte anstellen oder einreihen dürfen.
Das verlieh ihr Macht. Macht über ihn.
Immer wieder Damenschuh.
Überall sah er Damenschuhe, in allem dieses hochhackige Modell mit dem Pfennigabsatz, der ihn ans Kreuz seines Lebens nageln konnte.
Er hatte nie seinen Geburtsort verlassen, nur die Dorfschule besucht, eine Lehre als Schuster begonnen und enttäuschend abgebrochen. Jetzt saß er vor der Haustür und starrte auf die Straße, knetete mit feuchten Finger einen linken Schuh mit Pfennigabsatz, von dem er sich immer gewünscht hatte, dass es Bettis wäre.
Irgendwann, so wusste er, würde sie zurückkehren zu ihren Wurzeln, und würde ihn, den letzten in ihrer langen Schlange, erkennen und dann würde er vielleicht nein sagen, weil es zu spät wäre, und sich ein kleines Stückchen Selbstachtung zurückerobern.
Er roch am Schuh und erschnupperte in einer fernen Stadt den Geruch von Bettis Fuß.Irgendwann.
Vielleicht würde er auch ja sagen.