Günter Krass - Plattenspieler


Was war das damals schön gemütlich: Das leise Knistern des Plattenspielers vor dem ersten Track, vor dem ersten Stück, dieses leichten Rumsen, wenn die Nadel aufgesetzt hatte! Später machten sich die Menschen, die jetzt der CD verfallen waren, über diese Nebengeräusche lustig: Na, die ist wohl am Lagerfeuer aufgenommen worden! Lachen konnte in Wirklichkeit keiner darüber, denn die CD war kalt, gefühllos, steril. Der alte Witz, die besten Stellen auf der Platte angekreuzt zu haben, zog zwar manchmal auch mit der CD, aber konnte das das Fehlen von echtem Gefühl nicht kompensieren. Die Platte war schwarz, von einem riesigen Cover umgeben, einem eigenständigen Kunstwerk, innen mit einer Papierhülle versehen, die die wertvollen Rillen schützen sollte. Da gab es bereits Unterschiede: Die Billigpressungen vervorzugten aus Kostengründen Plastikhüllen, die später von der Konsistenz her in der Gemüseabteilung der Supermärkte zu finden war. Dann gab es Luxushüllen, deren papierne Hülle innen noch einmal mit Plastik gefüttert waren. Das Problem war das eigentliche Herausziehen der Platte, hier konnten kaum mit dem Auge erkennbare Schleifspuren entstehen und neben den Staubablagerungen das Nebengeräuschspektrum empfindlich und unerwünscht erweitern. Der Plattenbesitzer litt jedes Mal, wenn er oder - eigentlich unmöglich- ein anderer die Platte aus der Hülle nahm. Eines der größten Saktilege war jedoch, eine Platte mit bloßen Finger anzufassen, die schweißigen, ungewaschenen Griffel, die vorher vielleicht in der Nase oder im Ohr gepopelt hatten, auf das schwarze Gold zu legen und unbedarft solange auf dem Plattenteller damit herumzurutschen, bis der Pin das Loch gefunden hatte. Die Steigerung war der selbe Vorgang im Suff, häufig am Wochenende, häufig auf Feten, häufig von Gästen verübt, die man nicht hätte einladen sollen.
Der Plattenfreund machte in der Regel eine Tonbandaufnahme von seiner Platte und verschloss sie dann in einem einbruchsicheren Schrank ohne Glastüren.
Auch das Knacken und Knistern war auf der Bandaufnahme zu hören, leider auch das Bandrauschen. Und dann kam der Lenco-Clean-Man! Dieser Superneurotiker, der nichts anderes zu tun hatte, als Nassabspielen!(Fortsetzung folgt)