Können Männer Freunde sein?

Männer sieht man nicht Arm in Arm flanieren, das können nur Frauen, ohne dass sich die Nachbarschaft das Maul zerreißt. Männer fassen sich beim Bummeln nur an, wenn der eine nicht mehr stehen und der andere nicht mehr gehen kann, häufig auf dem Nachhauseweg von ihrer Stammkneipe. Männer ziehen nicht die gleichen Kleidungsstücke wie Frauen an, denn dann könnten sie für Zwillinge gehalten werden, auch gehen sie niemals gemeinsam aufs Klo, das könnte man missverstehen. Die gesellschaftlichen Vorurteile gegen Männer sind vielfältig und die diskriminierte Gruppe vemeidet natürlich, diesen zu entsprechen. Sie gehen immer im Abstand von anderthalb Armlängen nebeneinander her und tragen möglichst unterschiedliche Kleidung; hat der eine lange Hosenbeine, trägt der andere Hochwasser, ungekämmte Baumwolle wird durch Wildleder kontrastiert. Der eine lässt die Arme baumeln, der andere fasst sich energisch an die Nase oder bohrt sogar darin herum, alles im Dienste der Vorurteilswiderlegung. Sogar der Blick geht einmal zum Boden, zum anderen in die Ferne. Weiter entfernt können Männer nicht sein. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass sie in dieselbe Richtung gehen. Aber irgendwas müssen sie ja tun, sonst könnten sie keine Freunde sein. Über ihnen aber, für die Männer unsichtbar, schwebt das magische weiße Kabel, das alles Näherkommen, alles Verbindenwollende unerbittlich auseinanderdividiert, ein weißes Kabel, das aussieht, als habe man es bei der Demontage der letztjährigen Weihnachtsdekoration vergessen, das aber in Wirklichkeit ein Fluch ist von alten Frauen, die nicht drei beste Freundinnen haben. Der Mann kann nicht zwei Dinge auf einmal tun, er kann nicht Freund sein, sprich: Freundschaft pflegen und Flüche abwehren. So muss er sich entscheiden, und so bleibt er immer gefangen in der Widersprüchlichkeit seines Seins: Egal, was er tut, es wird immer falsch sein.