Achtung vor dem Alkohol - Wie es früher einmal war...

...und es heute nicht mehr ist. Mittlerweile schlendert der deutsche Mitbürger zügig, ohne nach links oder rechts zu gucken, an den Bierwagen, an die Theke oder in den Getränkeshop, um seinen täglichen Bedarf an alkoholischen Getränken zu decken, zügig, um nicht vom Mitkonkurrenten das Regal leergeräumt oder das Fass ausgetrunken zu bekommen. Form und Etikette sind vergessen, das zweite hält man mittlerweile, wenn überhaupt noch bekannt, für einen Aufkleber auf der Flasche.
Schöne Sitten in die Gegenwart zu retten, nennt man Traditionspflege, und so machen sich hin und wieder Zeitgenossen mit diesem Unterfangen im Herzen auf, um das respektvolle Trinken nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Angetan mit historischer Kleidung, als Hopfen und Malz noch die Braukunst beflügelten und ein gutes Bier erst mal erarbeitet sein wollte, schreitet der Traditionspfleger wacker fürbass, froh unter der Perücke nicht sofort vom neugierigen Nachbarn erkannt zu werden, und nähert sich gemessenen Schrittes, obgleich es im Mundraum brennt, einer Örtlichkeit, die Alkoholika feilbietet.
Anstatt nun ans Verkaufsbrett zu stürzen, beginnt der Traditionsfreund mit einigen Dehnübungen, die besonders den Rücken- und Brustbereich, aber auch die Armmuskulatur auf beiden Seiten betreffen. Ausgeführt in der überlieferten Weise gleichen sie Demutsbezeugungen, wirken sie wie Respektserweisungen der Braukunst gegenüber, aber auch dem Nahrungsmittel, das durch das alte Handwerk zum berauschenden Getränk veredelt wurde; letztendlich auch der Mutter Erde, der alles zu verdanken ist. Mit der Betonung der weiblichen Elemente in dieser Tradition wird endlich der Biertrinker mit der Frau versöhnt, die sinnbildlich hinter der Wohnungstür mit dem Nudelholz wartet, um dem trunkenen Schädel zum morgigen Kater noch ein passendes Horn zu servieren.
Warten, dienen, Respekt zollen und in mäßigem Tempo trinken, auch wenn es insgesamt länger dauert, führen zu Achtung vor dem Alkohol, der gerade in unseren Zeiten durch Wörter wie "Komasaufen, Flatratesaufen und Saufenbisderarztkommt" in Misskredit geraten ist.