Kennzeichen Dreispitz

Mathilde saß im Biergarten. Sie hatte wohlweislich auf eine Bestellung verzichtet; die Bedienung hatte geknurrt, aber ein Getränk konnte verräterisch sein. Viele Männer schlossen von den Getränken, die eine Frau konsumierte, auf deren Charakter. Das galt es zu vermeiden. Aber, wo blieb er? Der Herr am Nebentisch konnte es nicht sein, er hätte einen Spitz, einen weißen Spitz bei sich gehabt. Die waren gar nicht mehr in Mode, die wurden so schnell schmuddelig und in sauberen Zeiten hatten dreckige Hunde keinen Platz in der Gesellschaft. Kennzeichen Dreispitz. Das war nicht zu übersehen, in Kombination mit dem gepunkteten Kleid eine echte Hausnummer, da konnte sich keiner verlaufen. 15 Minuten war er schon über der Zeit, drei Männer mit Hunden waren in der Nähe vorbeigegangen. Wie sah ein Spitz überhaupt aus? War der vorne spitz, oder hinten, überall oder am Unterbauch? Nun, es galt, Geduld zu üben, diesmal musste es gelingen; die Sehnsucht zerrte in Mathildes Brust, unter dem dünnen Synthetik-Stoff, der leicht zu reinigen war und schnell trocknete. Vielleicht war es doch einer der Hundehalter gewesen. Warum hatte sich keiner zur ihr gesetzt? Alles war doch so pefekt und so eindeutig, und sie liebte doch Hunde, das spürten die Tiere sofort. 10 Minuten wollte sie ihm noch geben. Vielleicht bestellte sie doch vorsichtshalber ein Hefeweizen. Die Bedienung hatte schon wieder nachgefragt und einen schnippischen Ton angeschlagen. Der Dreipsitz saß korrekt. Vielleicht war die neue Bekanntschaft Legastheniker im Bereich Rechnen, da gab es ein spezielle Wort, das fiel ihr aber nicht ein. Aber bis drei zählen konnte doch wohl jeder. Mathilde seufzte.