Die Parabel von den vier Rohren


Eine Geschichte, dem Herrn W. ins Ohr vorzulesen zu seiner Erquickung:

Vier Rohre hatten überlegt, in die weite Welt zu ziehen. Sie waren in die Jahre gekommen, hatten schon ein paar Dellen, und hier und da war auch eine Stelle verkalkt und nicht mehr so durchlässig, wie es sich für Rohre gehört. So machten sie sich von Bielefeld aus auf den Weg über Minden und Uchte, bis nach Bremen, dann Bremerhaven und schließlich bis Cuxhaven, wo das Land aufhört und das Meer beginnt. In Cuxhaven standen sie am Strand und schauten zum Horizont. Und wo ist jetzt die weite Welt?, fragte das eine Rohr. Ja, wohl hier hinter dem Meer, antwortete das zweite Rohr, das immer alles ein bisschen besser wusste als die anderen. Woher weißt du das?, fragte skeptisch Rohr drei. Das weiß man eben, konterte Rohr zwei, das gehört zur Allgemeinbildung. Und wie kommt dieses Meer hierhin?, wollte Rohr vier von Rohr zwei wissen. Nun, gab das zweite Rohr zur Antwort, das steht auf einem anderen Blatt Papier. Es wusste nämlich die Antwort nicht, wollte das aber nicht zugeben. Gehört wohl nicht zur Allgemeinbildung, bemerkte das erste Rohr ironisch, das wohl bemerkt hatte, dass es mit der Allgemeinbildung des zweiten Rohres nicht weit her war. Sie kamen so recht ins Grübeln, als der weise Rohrwurm des Weges kam und bei den vieren stehen blieb: Na, ihr Rohre, warum schaut ihr so betrübt? Ich bin der weise Rohrwurm, vielleicht kann ich euch helfen.? Das zweite Rohr rief fröhlich aus: Hurra, der weise Rohrwurm! Jetzt wird alles gut! Das erste Rohr murmelte: Weiser Rohrwurm? Wer soll das denn sein? Nie von dem gehört… Die Rohre drei und vier schauten verwundert drein, sagten aber nichts. Der Rohrwurm fuhr fort: Nun gut, ich habe jetzt zwei Fragen frei. Und wenn ihr die richtig beantwortet, dann sage ich euch, wie ihr in die weite Welt kommt. Ja, genau, riefen die vier Rohre wie aus einer Stange. Die erste Frage lautet: Was ist ein Nawwi? Ein Nawwi? Was soll das sein? Kenn ich nicht!, schrieen die Rohre durcheinander. Lasst euch Zeit, beruhigte sie der Rohrwurm, dreimal dürft ihr raten. Eine Antwort ist schon weg. Jetzt aber erst die zweite Frage: Was habt ihr als Zielort eingegeben? Zielort? Zielort?, grübelten die Rohre und alle blickten zu Rohr zwei, weil der immer alles ein bisschen besser wusste. Ja, wo wollen wir denn hin? In die weite Welt doch eigentlich, wenn wir wüssten, wo die liegt?, schlug Rohr drei vor. Alle jubelten und brüllten: Genau, das ist die Lösung! In die weite Welt, Rohrwurm.
Richtig, das gibt einen Punkt, antwortete der Rohrwurm freundlich. Aber nun noch einmal zur ersten Frage: Was ist ein Nawwi? Die Rohren antworteten aufgeregt: Das wissen wir doch nicht! Das haben wir doch eben schon gesagt! Der Rohrwurm wurde ernst und sagte: Jetzt sind zwei Antworten weg, überlegt euch gut, was ihr als drittes antwortet. Vielleicht geht ihr zurück in euren Heimatort und findet erst mal heraus, was ein Nawwi ist. Die Rohre nickten nachdenklich und machten sich auf den Rückweg. Wie weit ist das denn?, fragte Rohr drei enttäuscht. Genauso weit wie der Hinweg, nur andersrum, zischte Rohr zwei genervt. Sagt mal, wunderte sich Rohr vier, wieso hatte der weise Rohrwurm eigentlich zwei Fragen frei? Die hätten wir doch frei haben müssen? Keine Ahnung, murmelte das erste Rohr und schlurfte weiter Richtung Altenwalde, wo es auf die Autobahn ging. Also kehrten die vier Rohre über Bremerhaven und Bremen, über Uchte und Minden nach Bielefeld zurück. Auf der A 2 kurz vor Bielefeld wurden sie von der Polizei angehalten, weil sie die vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit nicht erreicht hatten.Verkehrsbehinderung, grunzte Rohr zwei verächtlich, zu langsam für die weite Welt! Na dann, prost Mahlzeit!