Tonnes Tagebuch: Flashmob

Vassily Kannikski: Wishmob (2013)
Liebes Tagebuch!
Das Wort Flashmob erinnert mich immer an Wischmopp, an dieses feuchtnasse, leblose, pudelfellartige Objekt, mit dem bei uns nie gewischt wurde, denn wir hatten Aufnehmer.
Wischmopp gab es nur im Fernsehen, das gerade angeschafft worden war. Wischmopp war teuer. Geld war knapp.
Aufnehmer waren billig und man konnte sie auswringen; sie hielten ein halbes Leben. Wenn sie ihre Dienste in der Küche erfüllt hatten, vielleicht nach 5 Jahren, dann ging es im Keller weiter, bis der Stoff zerfiel. Im Keller kam es ja nicht so drauf an.
Beim Flashmob treffen sich Menschen, die sich vorher per SMS oder ähnlich verabredet haben. Sie hauen sich Federkissen um die Ohren oder drücken gemeinsam je eine Tube Senf vor dem Rathaus aus. Warum, wissen sie nicht. Hauptsache es sind ein paar Leute da und alle haben Spaß.
Vielleicht ist es der hilflose Versuch, die Welt zu retten, so wie es in einem Neo-Schlager besungen wird. Besser was tun als nichts tun.
Hauptsache, was tun. Egal was.
Gemeinsam Däumchen drehen gab es früher schon und wurde vor der Erfindung des Fernsehens um den Sonnenuntergang herum auf der Holzbank, die vor der Mistkuhle stand, gemeinsam durchgeführt. Es half gegen Langeweile und unterstützte das wortfeindliche Gespräch. Es machte müde und beruhigte die Seele.
Heute kann der mensch nicht einschlafen, weil er ein Federkissen an den Kopf bekommen hat, das voller Hausstaubmilben war. Dagegen ist der Mensch allergisch.
Jetzt liegt er nervös im Bett und ringt nach Atem.
Mit dem Wischmopp vor dem Rathaus den Marktplatz wischen, mal so richtig saubermachen! Das wär was! Das hätte so was Reinigendes.
Aber da werden dann wieder Stimmen laut: Die sind doch nicht ganz sauber!
Wer diese Metapher versteht, weiß auch, wie kompliziert die Welt ist.