Redensarten beim Wort genommen: Frosch im Hals


Nie hatte er sich in die Person einfühlen können, die einen Frosch im Halse hatte.
Ein Räuspern, ein Röcheln, ein Hüsteln, aber kein Ton will hinaus, keiner kommt heraus, das Gespräch erstickt; der Sprecher kämpft um Fassung und versucht ein Ersticken zu verhindern. Das Gespräch ist beendet.
Jetzt hatte er einen Frosch im Hals, oder viel mehr einen Froschschenkel.
Er wusste nicht, ob dieser Muskel noch an seinem Oberschenkelknochen hing, oder ob er ihn unbewusst abgenagt hatte.
Er steckte im Hals und machte Probleme. Er versuchte zu schlucken, schaffte das aber nicht, das Objekt wollte nicht nach unten.
Herausholen konnte er es auch nicht, das hätte ncah Würgen ausgesehen und die Gastgeberin beleidigt.
Eigentlich ekelte er sich vor Fröschen, vor allem wenn sie auf den Teller kamen.
Der Ekel steigerte sich ins Unermessliche, wenn sie in den Mund und in den Hals kamen.
Angeblich sollte das Fleisch wie gegrilltes Hähnchen schmecken, zart sein, weiß. Er dachte an die glitschigen Gesellen, die laut quakend am Teich saßen und ihn aus Glupschaugen unbeweglich anstarrten, so als wollte sie ihn fressen und nicht umgekehrt.
Jetzt saß er am Tisch und  hatte den Hals voll.
Die Nase voll sowieso von langweiligem Geplaudere und dem Zwang, hässliches Essen schmackhaft zu finden und die Gastgeberin ob dieser Spezialitäten zu loben.
Er war nicht frankophil.
Er hasste Frösche, er hasste Froschschenkel.
Er hasste diese ganze Oberschichtblase, die sich mit ausgefallensten Geschmacksverirrungen chic fand, sich gefiel im Abnagen von Skeletten erbärmlichster Kreaturen. Dem musste er ein Ende setzen. Endlich mal eine Entscheidung treffen. Klären, auf welcher Seite er stand.
Ein kurzer aber heftiger Hustenanfall brachte den Fleischbrocken wieder auf den Tisch.
Entschuldigung, aber jetzt ist es endlich raus.
Ich hatte einen Frosch im Hals!
Hahaha, lachte die Gastgeberin, was für eine Redensart! Hahaha, lachte sie weiter, endlich können wir hautnah miterleben, was dieser Satz bedeutet!

Ich finde das zum Kotzen, dachte er und entschuldigte sich noch einmal. Das Thema wäre damit vom Tisch, dachte er und erschreckte: Es lag ja gerade erst auf diesem. Das Thema im Übertragenen ergänzte er für sich.

Ich hatte einen Frosch im Hals, hüstelte er und versuchte in das Lachen der Gastgeberin einzustimmen, einen Froschschenkel!, muss es wohl lauten.
Das ist allerdings keine Redensart.
Die Gastgeberin blickte konsterniert, dass ein Gast, der eben erst ein Stück Frosch auf die Damasttischdecke gehustet hatte, es wagte, sie zu korrigieren.
Es ist wohl Zeit zu gehen, sagt er und verschwand.
Die Gastgeberin widersprach nicht.