Die gelbe Jacke: Allein hinter einem Bild von Matisse

Einige Tage hatte die gelbe Jacke im Schaufenster eines Geschäftes für Waren aus zweiter Hand gestanden. Die Schaulustigen bummelten und  betrachteten die Auslagen und ihr Blick fiel immer auf die gelbe Jacke, um dort eine Weile hängen zu bleiben, denn die gelbe Jacke war schön. Manch einer der Betrachter hätte sie gern getragen und manche schöne Frau hätte sie für ihren Mann gewünscht. Dass es sich um einen Zweite-Hand-Laden handelte, und dass dieser straffällig Gewordene finanzierte und den Bestand aus Spenden rekrutierte, schreckte viele ab. So blieb die gelbe Jacke eine ganze Weile in diesem Geschäft und aber als Blickfang im Schaufenster. Und dann eines Tages stellte man ein Bild vor sie, einen Matisse. Jeder Mensch weiß, dass ein Matisse Millionen bringt und dass man den nicht einfach in einen Zweite-Hand-Laden stellt, und vor allem nicht vor eine gelbe Jacke, denn das würde diese in den Hintergrund rücken.
Was aber das Schlimmste war, dass die Ladenbetreiber, die noch nie straffällig geworden waren, so dumm waren, dass sie nicht erkannten, dass der Matisse eine plumpe Fälschung war; was die gelbe Jacke noch weiter in den Hintergrund drängte. Seht doch, wollte die Jacke schreien, wenn sie gekonnt hätte, seht doch! Eine plumpe Fälschung! Papperlapapp!, hätten die Ladenbetreiber gesagt, das passt schon, da steht ja drauf, dass es ein Bild von Matisse ist!
Die gelbe Jacke hätte weinen mögen, wenn sie gekonnt hätte. Ja, es stand drauf auf dem Bild: Bild von Matisse. Und dann ein Strichmännchen in Rot. Man mag ja von Matisse denken, was man will und von moderner Kunst auch, aber ein Strichmännchen hätte er nicht gemalt und auch nicht daneben geschrieben, dass das Bild von ihm sei. Moderne Kunst hatte auch ihren Stolz, die wollte nicht mit jeder Kleckserei Geld machen.
Die gelbe Jacke aber war traurig und verlor allmählich ihre Farbe. Irgendwann, als sie grau war, stellten die Ladenbetreiber ein Schild vor ihr auf: Gelbe Jacke. Das Bild von Matisse war da aber schon längst verkauft. Vielleicht nicht für ein paar Millionen, aber auf jeden Fall für zu viel Geld.