Kontext und Partnerwahl


Zugriff!, denkt der spätpubertierende Mittdreißiger und fasst der Dame, die neben ihm an der Theke steht, an den Oberkörper, dahin, wo der Zugreifer sich volumenmäßig von der Angefassten unterscheidet. Zugriff, das volle Besteck! Das hat er aus Tatortfilmen gelernt. Die Dame gibt ihre Bestellung auf und beantwortet die Frage der Bedienung, ob es auch etwas mehr sein dürfte, mit einem: Na, sicher. Was den Zugreifer motiviert, die Fingerspitzen leicht zusammenzudrücken, um etwas mehr von der fleischlichen Fülle zu begreifen. Be-greifen, endlich wird ihm das Wort klar; ewig schon waren ihm die Frauen unbegreiflich, unverständlich, nicht mit Worten zu erdenken, und jetzt hatte er die Lösung gefunden: Begreifen. Aber statt eines drallen Stückes Fleisch gibt die ergriffenene Rundung nicht nach, eher fühlt sie sich an wie ein Stahlkorsett. Merkwürdig auch, dass die Dame noch keinen Laut auf seine vorsichtigen Bemühungen hin von sich sich gegeben hat. Vielleicht mag es nicht nur an der harten Kappe liegen, die die Empfindungen behindert, sondern auch an der Umgebung, denn nach wie vor sind Erfolge in der Partnerwahl, wie ungeschickt sie auch vorbereitet wird, vom Kontext abhängig, nämlich davon, in welcher Situation die Vorbereitungen stattfinden. Hans hatte ihm damals im besoffenen Kopf geraten, doch einfach mal an der Theke einer Frau an die sekundären Geschlechtsmerkmale zu fassen, was ihn erstmal hat nachschlagen lassen, was das denn überhaupt sei: Sekundäre Geschlechtsmerkmale. Das mit der Theke muss er wohl auch falsch verstanden haben,denkt er sich, denn es eignete sich wohl nicht jede dazu. Und wenn die Partnerwahlanbahnung hier fehlschläg, dann ist ihm klar geworden, dass eine Fleischtheke der falsche Kontext ist. Was auch immer Kontext bedeuten will. Nicht jeder Tipp eines betrunkenen Kumpels, der an der Theke neben einem steht, lässt sich transferieren und in Glückseligkeit umwandeln.