Fliesengeist in Bonn


Der Fliesengeist saß nun seit geraumer Zeit an der Wand in einer U-Bahn-Station, vielleicht Hauptbahnhof Bonn, wer weiß, er wusste es selbst nicht, und wartete, dass ihn jemand ansprach, denn nur so konnte er aktiv werden, konnte er sein Wesen entfalten. "Hallo, Fliesengeist, willst du mir willig sein? Du bist schon etwas strange, ein Fliesengeist....Ich kenne eigentlich nur Flaschengeister, die immer wollen, dass man den Korken rauszieht. Aber Fliesengeister? Na, ich weiß nicht" So etwa hätte eine Ansprache sich anhören können; aber niemand sprach zu dem Fliesengeist. Niemand wollte seine Dienste in Anspruch nehmen, niemand wollte sich Wünsche erfüllen, denn die Preise für Unterhaltungsmedien waren mal wieder gesunken und jeder hatte eigentlich, was er brauchte, sogar noch viel mehr, sogar Dinge, die er überhaupt nicht brauchte.
"Tja, Fliesengeist", hätte die Ansprache weiter gehen können, " ich habe mal eine Flasche Friesengeist getrunken, damals, als ich noch mit Günter unterwegs war, den haben wir flambiert, da haben wir uns die Lippen verbrannt, später haben wir ihn dann kalt getrunken. Zum Schluss konnten wir kein r mehr aussprechen. Fliesengeist, Teuwwwelsssoiggh!, haben wir vor uns hingesummt. Vielleicht bist du mir deshalb so sympathisch...." Das hätte alles gereicht und der Geist in den Fliesen hätte sich bewegt und gesprochen:"Was kann ich für dich tun, Meister?"
Aber niemand fragte. Alle warteten nur auf ihre Bahn, versunken in ihre eigene Welt, in ihre Probleme: Was würde ich mir wünschen, wenn ich mir was wünschen könnte?