Alte Hits erfreuen das Herz

Henry Valentino sitzt im Auto! Vor ihm die Uschi, wobei er nicht weiß, dass es die Uschi ist. Aber er singt sie an. Öffentlich. Er bewegt sich dabei, als habe er einen Autounfall gehabt: Die linke Hand immer ein wenig erhoben, so als wolle er ein fiktives Lenkrad anfassen und über eine vereiste Fahrbahn steuern, immer der Uschi nach, die natürlich Gummi gibt. Das konnten die Frauen schon immer: Fuß aufs Gas, bei jedem Wetter.
Da brummt die singende Oberlippenbehaarung über das Mädchen vor ihm im Wagen und weiß, dass sie ihn nicht hört: Lee Marvin röhrte, wenn er eine starke Erkältung hatte, kaum einen Schlag besser. Immer einen Viertelton neben der Notenlinie. Gut, dass Uschi den Mann hinter ihr nicht hört, denn nicht immer haben tiefe Männerstimmen die beabsichtigte Wirkung. So erfüllt Henry V. den Tatbestand der Nötigung durch übertriebenes Auffahren. Uschi, mit dem dicken Fell der 70er Jahre gesegnet, lässt sich nicht beirren, fährt ihren Weg und singt auch noch drüber. Genau, wie damals üblich: Falscher Ton? Einfach drübersingen!
Henry singt das magische Rattan Rattan radatan; was kann er meinen? Sein Motor hat Probleme, oder sind es seine Hirnzellen, die unermüdlich die Zahnräder bewegen, um einen Vorschlag zu unterbreiten, wie Uschi am geschmeidigsten in Henrys Gesellschaft überführt werden kann? Er will sich immerhin hinter Hecken verstecken, wohl weil es sich reimt, oder hinter Kühen sich mühen, hinter Tannen was spannen, auf jeden Fall auflauern (hinter Häusern von Bauern?), doch dann ruft die Armbanduhr: Du kommst zu spät nach Hause, Henry! Das darf nicht sein. Das hat er noch nie gemacht. Also: Adieu sagen!
Bye, bye, mein schönes Mädchen, trötet der alte Bock aufs Armaturenbrett, und stellt fest: Uschi hat den Blinker an. Hier fährt sie ab. Sie fährt voll ab, die Frage, auf wen? Aber sie hat den Blinker an, was heißen will, dass sie gleich abbiegt, die Biege macht, die Kurve noch soeben kriegt, den Henry links liegen lässt, links hinter den Hecken eben. Mit dem Blinker an wird sie zu Hause eintreffen und ihre Eltern verwundern. "Kind, warum hast du denn den Blinker an?" Da niemand so recht mit dieser Metapher etwas anfangen kann, bleibt man allgemein die Antwort schuldig.
Henry und Uschi kamen nicht zueinander, auch wenn Henry V. dafür ein Zahn zugelegt hätte. Aber mit dem kaputten Arm vom letzten Crash? Da müsste schon was bei der Uschi drin sein.Wahrscheinlich waren beide in einem jeweils andersfarbigen Kadett unterwegs, und Uschi in einem, der wie eine Ente aussah, und das passt gar nicht. Gut ist es aber, dass sie sich nie berührt haben, denn es gibt schon genug Kindergartenkinder, deren Väter aussehen wie deren Väter, steinalt nämlich. Daran ändert auch die schlecht rasierte Oberlippe nichts, die in den 70er ja in war und so etwas wie Jugendlichkeit ausdrücken sollte, aber lediglich Hinweise auf die Mahlzeiten vom Vortag gab.


Bleibt nur die Frage, warum alte Hits das Herz erfreuen?
Antwort: Weil sie so selten zu hören sind.
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