Ekke Dützmann: Akt, knieend - von Pawel Pikass (2009)


Ja, meine Güte, da kann man doch mal sehen, oder besser nicht sehen, was so ein Künstler unter einem Akt versteht. Hallo, dann kann der doch für 5 € ein Studentenmodel buchen, das vielleicht aufgrund der Studiengebühren oder der überschrittenen Höchststudiendauer darauf angewiesen ist, sich ein Zubrot zu verdienen, damit sie ihr Make-up für den Modeljob finanzieren kann. Und sie trifft auf einen introvertierten Künstler, der sich Maler nennt, und der vielleicht zu feige ist, in ein Lokal öffentlichen Interesses zu gehen, oder eine Modelagentur, die auch weitere Leistungen anbietet, anzurufen, und schließlich sitzt er dann stundenlang vor dem 5€-Model (die Stunde) und starrt auf es, mit der Begründung, er müsse sich inspirieren lassen, starrt und starrt, das Model friert inzwischen, da es ja ein Akt-Model ist und nichts an hat, und heraus kommt schließlich, nach langem Hin und Her, nach langem Gestarre ohne Bewegung, und schließlich einigen, vielleicht nur einem einzigen Pinselstrich, der möglicherweise stellvertretend für die gesamte Hormonwelt des Bildners sein muss, ein zweifarbiges Gebilde, das der Spurensicherung eine große Aufgabe stellt: Ja, hallo, wer soll das denn sein? Ein verkrüppelter Baumstamm, der nach Sturm Kyrill abgeknickt ist, oder die Inge, die sich, nach Entledigung des Badeanzuges, hingekniet hat, weil sie ihren Ohrring sucht, und das in der Umkleide des Städtischen Freibades?
Kunst sieht anders aus.
Ekke Dützmann