Wohnen: Zen oder Gemütlichkeit?

Das Extrem an Ungemütlichkeit ist ja wohl das Zen-Schlaftzimmer einer aufstrebenden Managerin, in dem sich nur ein Futon oder Flachbett befindet und diffuses Licht durch eine dünne, mit quadratischen Lichtausschnitten versehenene Holzwand dringt. Kargheit dominiert, Übersichtlichkeit. Eine Falte in der Bettdecke würde Stress erzeugen, ein Popel auf dem schlichten Fußboden hätte einen mittleren Nervenzusammenbruch zur Folge. Ein Zen-Zimmer soll beruhigen. Es soll Klarheit erzeugen, was ja bei deutschen Manager besonders wichtig und notwendig ist. Alleinstehende Männer haben solche Zimmer, um obengenannte Damen zu beeeindruckend. "Ach, legen Sie ihren Mantel doch hier aufs Bett!", ist der plumpe Versuch zu beeindrucken, in der Hoffnung, die Dame würde sich wenig später neben ihren Mantel legen.
Niemand findet Zen-Schlafzimmer gemütlich, aber keiner sagt etwas. Die Steigerung der Ungemütlichkeit wäre, wenn auf dem Fußboden eine Schale mit Sand stünde, daneben eine kleine Harke, mit der man sinnlose Muster in den geglätteten Sand ziehen kann.
Immer wieder fragen sich die Menschen, wo Besitzer solcher Zimmer eigentlich ihre Kleidersammlung und ihr Gerümpel lassen? Die brauchen doch einen extra Raum, damit das, was im Schlafzimmer fehlt, untergebracht werden kann, denkt jeder. Eine ganze Zen-Wohnung müsste demnach im Garten einen Container haben, um all das Nützliche und Sinnlose, das keiner wegschmeißen will, unterzubringen. Im Grunde ist die ganze Gemütlichkeit in diesem Container; die Zen-Wohnung impliziert maximal 16° C Raumtemperatur; kalte Luft erzeugt klare Gedanken. Ob ein Zenschlafzimmer dann neben dem Schlafen auch anderen Dingen dienen kann, ist fraglich.
Gemütlichkeit ist imer auch Unordnung. Hier liegt was rum, da auch. Wenn ich mich setzen will, muss ich erst Ritas Dackel entfernen, da liegt die Katze, die muss auch weg, den Stapel Zeitungen noch und dann schließlich die Pommes von der Vorwoche. Jetzt aber hinsetzen, die Sofakissen zurechtgerückt, gut die Flaschen müssen vom Tisch, den Fernseher an; der Bildschirm ist frei, unverbaut. Hoffentlich fällt der röhrende Plastikhirsch nicht von der Bildröhre. Die Zinnbecher sind auch nicht schlecht, besonders gemütlich sind die Wandteller und die jugoslwischen Holzarbeiten und handgeknüpften Teppiche, die als Tischläufer Verwendung finden. Hier leben Menschen! Das kann man an jeder Ecke, in jedem Winkel sehen und begreifen. Hier hat jemand Spuren hinterlassen, Spuren, die in keinen Staubsaugerbeutel passen. Aber Staubsaugen ist ungemütlich; wer sich so richtig im Wohlbefinden suhlen will, braucht auch ein bisschen Dreck. Das ist doch zwangsneurotisches Verhalten, ständig zu saugen und zu wischen, ständig Sand zu harken und das Schlafzimmer so auszuräumen, dass jederzeit eine Management-Dame ihren Mantel ablegen könnte. Ein gemütliches Wohnzimmer muss sein wie ein ausgetretener Schlappen: Ungesund, aber zum Wohlfühlen. Ich bin zu Hause! Hier lebe ich. Mir doch Wurscht, was Karrierezicken wollen!
Heimlich werden Zenschlafzimmerbesitzer sowieso in ihren Containern sitzen, um sich richtig mit Gemütlichkeit vollzusaugen. Da reicht oft ein Kubikmeter Sitzraum, um durchzuatmen und sich zu erholen vom Stress des Aufgeräumtseins, der Klarheit, der kühlen Übersichtlichkeit. Zen ist japanisch, Gemütlichkeit ist deutsch.