"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Der Choleriker hat unsere Liebe verdient

Hat der Choleriker nicht auch unsere Liebe verdient? Ist es unser Kleinmut, der es verhindert ihn anzunehmen als Mitmenschen, als Nächsten?
Du hast du ne Vollmacke, du verfluchter Sauhund, räum gefälligst das Laub, das dein verschissener Birnbaum in meinen Garten gepfeffert hat, auf deine Seite, aber dalli! Sonst zieh ich dir ein Horn! Ist das jetzt klar? Basta! Und Punkt! Dass das mal ein Ende hat hier. Feierabend! Sonst kauf ich mir ne Kettensäge und dann hat es sich ausgebirnt, Meister!!!!
Was steckt hinter diesen Worten, was hinter seinem cholerischen Auftritt, der auf den ersten Blick verletzend und gewalttätig wirkt? Die Augen des Brüllenden sind in Wirklichkeit ängstlich zusammengerückt; ein kleiner Geist hat in einem mächtigen Schädel seine Heimat gefunden und fürchtet, entdeckt zu werden. Schutzmechanismen, alt und neue, aus Gegenwart und Kindheit, greifen und setzen die Alarmglocken in Bereitschaft. Der Choleriker will nicht verletzen, er will das kleine Kind in sich schützen, das nie seinen Willen bekam, auch wenn es mit Nagelschuhen Glastüren eintrat, Blumenvasen in den Wohnzimmerschrank warf oder dem Hund von Tante Moni kleingeknickte Rasierklingen ins Hundefutter mischte. Schreie nach Liebe, manchmal stumme Schreie, manchmal laute, die Panzerglas zerbersten lassen konnten.
Liebe, das ist es, worum eine arme Seele hier fleht. Wir können nicht einfach weghören; wir müssen unsere Hilfe anbieten. Was spricht dagegen, den ersten Schritt auf den anderen zu tun, den Choleriker anzunehmen wie er ist, und ihn dadurch zum Guten zu verändern? Ist der Birnbaum nicht alt und gehört er nicht längst ins Trockenregal für das Kaminholz? Manchmal muss man sich trennen können, von alten Gewohnheiten und manchmal von einem alten Birnbaum. Wenn es der Liebe dient.