Tonnes Tagebuch: Winterstraße

Liebes Tagebuch!
Der Winter hat uns fest im Griff, und da musste ich an die Menschen in Sibirien denken, und ob sie überhaupt Fahrradwege haben.
So weit die Füße tragen, hieß es damals in Schwarzweiß im Fernsehen, und ein Mann hatte sich Tausende von Kilometern aus Sibirien hinausgeschleppt, um nach Hause zu kommen. Jeder weiß, wenn man sich verirrt hat, läuft man im Kreis, man geht in seiner eigenen Spur weiter, immer wieder und wieder, bis das Ganz aussieht, als sei ein Radweg da. Was aber nützt der Radweg, wenn der Mensch zu Fuß geht?
Die Menschen in Sibirien sind arm, sie haben wahrscheinlich nicht einmal Fahrräder, denn wohin sollten sie mit diesen fahren? Sibirien ist so groß, dass man es mit dem Fahrrad nicht durchqueren kann. Vor allem weil es keine Radwege gibt.
Am Wegesrand meiner Wanderung sah ich einen Radweg und dachte: Wie gut es uns geht!
Und dann dachte ich: Vielleicht hat den ein sibirischer Mensch auf seiner großen Wanderung geschaffen, auf seiner Umlaufbahn, in seinem Kreis, der ihn gefangen hält, aus dem er nicht heraus kann, in dem er laufen muss wie der Hamster im Rad. In  einigen  Jahrzehnten wird aus diesem Radweg vielleicht ein Graben, voll mit Wasser, weil er tief genug ist, um dem Grundwasser Raum zu bieten.
Eines Tages wird das Grundwasser so hoch stehen, dass der sibirische Mensch, wenn er auf seiner Umlaufbahn wieder hier erscheint, einfach ertrinkt und erlöst wird aus diesem Kreislauf, in den ihn eine böse Fügung des Schicksals verdammt hat.
Zum Schluss dachte ich noch: Radwege strukturieren die Landschaft. Man erkennt Wiesen und Bäume und Felder und dazwischen ist ein Radweg. Wie schön. Und das nicht nur zur Winterszeit.
Tonne