Mutter-Sohn-Beziehung: Tragik mit Fassung

Mutter, hörst du mich, ich bin's, Günter, ich komme mir so klein vor, auch wenn ich lässig mit dem Handy herumstehe und meinen guten Anzug trage, nein das kannst du nicht sehen, ich weiß; ich habe jetzt eine weibliche Vorgesetzte, eine echte Schrappnelle, so eine, die glaubt, ein Mann sein zu können, überall, Mutter, sehe ich jetzt riesige, längliche Objekte, hart und aufrecht stehen sie an tausend Orten in der Stadt, wo du hinsiehst, und ich davor, klein, unbedeutend. Ich habe Angst, seit Irmchen mich verlassen hat, nur wegen Ines, das hat doch nichts bedeutet, also mir nicht, gut, was Ines davon gemacht hat, meine Güte, das ist ja wohl kein Staatsakt und sofort zu Irmchen, und die Heulnummer abziehen, so sind die Frauen, nein, Mutter, du natürlich nicht, ich weiß, dass du mich verstehst. Ich schaue gerade das Bild von dir an, Mutter, das ich immer bei mir trage. Mutter, was soll ich tun? Einfach nicht hinsehen? Ach so, das Bild schon, die Objekte nicht? Und die Vorgesetzte? Also, komm, so gut sieht die nicht aus. Wieso egal? Also etwas Ästhetik gehört dazu, muss ja nicht gleich Liebe sein. Und was würde Irmchen dazu sagen? Jaja, Irmchen ist weg, ich weiß.
Und diese vielen Säulen und Pümpel und Pröppel und Klötze und Polder und wiesiealleheißen,Mutter? Ich fühle mich belagert. Was heißt hier, ich ticke nicht richtig? In dem Ton kannst du mit mir nicht reden! Nein, ich werde nicht mit der neuen Vorgesetzten, auch wenn das kein Oppurtunismus ist, jaja, nur Überlebensstrategie, was sind das? Versagensängste, die vielen Pümpel und Metalldinger hier? Komm, jetzt hör auf, das kannst du doch gar nicht beurteilen. Ich mich bei dir ausheulen? Ach, das ist dir jetzt lästig, aber rumsülzen, du kannst immer zu mir kommen, ich bin doch deine Mutter undsoweiter, weißt du, Mutter, du bist eben auch nur eine Frau! Nein, ich werde jetzt nicht unverschämt, das sind Tatsachen, nackte Tatsachen, damit musst du dich auch abfinden, wer hat denn Vater aus dem Haus getrieben? Weißt du was, Mutter, du kannst schon mal meinen Koffer packen. Ja, was, wo ich denn hinwill? Das werde ich dann schon sehen. Dann gehe ich ins Hotel, andere schaffen das auch! Wieso? Guck dir doch Udo Lindenberg an, der wohnt seit Jahren im Hotel. Ich lege jetzt auf. Was jetzt, ok, ein Handy kann man nicht auflegen, das ist es doch, was mich an dir so nervt, dieses ständige Klugscheißern und Besserwissen, nein ich will keinen Rinderschmorbraten heute Abend, nein, auch wenn das mein Lieblingsgericht ist. Schluss jetzt, Mutter, ich lege nicht auf, das geht ja gar nicht, wie du schon richtig bemerkt hast, mein Akku ist leer. Ich soll nicht zynisch werden? Ich werde nicht zynisch. Ja, genau. Und es gibt hier keine Steckdose zum Aufladen. Nein, hier gibt es nur, genau, lang, hart, aufrecht, ganz genau, du hast es begriffen, ja, danke, Mutter, nein, ich dich im ALtersheim unterbringen, wie komm ich denn dazu, nein, du musst schon selbst zurecht kommen, nein, das hast du dir jetzt vermasselt, gut, nach dem Essen, aber du packst den Koffer. Der Akku, Mutter, der Akku ist leer, ja, der piept schon, nein, das kann man nicht hören, nein, dann wüsste ja jeder, dass mein Akku leer ist. Wo kämen wir dann hin? Tschüss dann, nein, ich bin nicht sauer.