Tragik des Rapses


Warum ist der Raps so gelb, dachte ich als Kind immer und war erschreckt, dass sich Rehe in ihm berauschten und umkamen.
Rhapsodie in Gelb, fabuliere ich, nachdem ich Gershwin gehört hatte.
Damals war Raps selten, Autos fuhren mit ihm nicht und als Salatöl war er nicht denkbar. Niemand wusste, wie die Samenkapseln aussahen und was man mit dem Samen anfangen konnte, außer ihn wieder auszustreuen für die nächste Ernte. Ein völlig nutzloser Kreislauf, ein perpetuum mobile, das nicht nur sich selbst reproduzierte sondern Überschuss erwirtschaftete und vielleicht in einigen Jahrtausenden die ganze Erde überwuchern würde, die Menschheit im eigenen Keim, der längst ein Krebsgeschwür geworden sein würde, erstickte.
Raps. Täuschende Schönheit. Aber welche Schönheit ist denn mehr als ein Schein? Das Sein der Schönheit reduziert sich doch aufs Schönsein und das wiederum ist doch nur Schein. Ist es denn Vollkommenheit, wenn Sein und Schein identisch sind? Oder ist es nur die Vorwegnahme des Privatfernsehens? Nein, ist es nicht, denn das Privatfernsehen scheint noch nicht einmal schön zu sein.
Damit reduziert sich der Raps auf eine tragische Funktion. Herumzustehen und zu stinken, damit Rehe sich an ihm berauschen und sterben.
Schade um die schöne Natur.