Eichhörnchen muss lesen können


Den Tieren des Waldes verlangt man heute viel ab.
So wie die Menschen im Mittelalter nicht lesen oder schreiben konnten, so ließ man auch die Tiere des Waldes jahrhundertelang unbehelligt in ihrer heilen Welt, die höchstens ein angetrunkener Jägersmann stören konnte.
Nach der Erfindung des Verkehrsschildes, dessen sich der Deutsche besonders gern bedient, entdeckte man relativ spät den Wald als Ort der Verbote und Hinweise.
Dem Eichhörnchen etwa teilte man hier und dort unmissverständlich mit, dass sein  Weg in einigen Metern endete und ein "Baumkronenweg" beginne.
Das Eichhörnchen war bislang mit dem Sammeln und Horten von Eicheln beschäftigt; seit eineiiger Zeit sitzt es im Kobel und lernt lesen und schreiben, um den Anforderungen der neuen Zeit zu genügen.
So wie das Kind verlernt hat, rückwärts zu laufen, verlernt der kleine Waldnager das Sammeln von Eicheln, weil er seine Nase in Bücher stecken muss.
Wenn dann der Hunger plagt, wird auch das gebildete Tier feststellen, dass man vom Lesebuch allein nicht leben kann, es sei denn, man verdingt sich gegen Nahrung als Vorleser für nicht bildbare bzw. bildungsferne Tiere, wie etwa das Wildschwein oder die Waldschnecke.
Der Jägersmann sollte aber auf der Hut sein, denn in schlauen Tierbüchern stehen auch Bauanleitungen für Lebendfallen, in der der Grünrock sich nicht besonders schick ausmacht. 
Ratschlag für den Waidmann: Die Flasche Mümmelmann bleibt mal zu Hause und dafür sperrt er seine Augen auf, um nicht fette Beute eines entwurzelten Waldtieres zu werden, das sich sowieso nur vegetarisch ernährt!