Günter Krass: Vom Schönsein zum Philosophischen

Einst lag ich am Strand in Südfrankreich, wohl war es Royan, dieser Gegenpol zu Bordeaux, von dem ich annahm, es seien dort nur schöne Menschen im Urlaub. Meine Reisegefährten und ich, wir selber zählten uns zu diesen und hätten sonst niemals die Reise in diesen Ort angetreten, wenn man uns eines anderen belehrt hätte.

Nachdem wir rohe Eier und Taschenkrebse mit einem Seitenschneider gegessen hatten, betraten wir den Strand. Das Gelb der Eier, die ich für Pfirsiche gehalten hatte, die aber dieser Geschmackserwartung überhaupt nicht entsprachen, Dosenpfirsiche wohlgemerkt, die durchaus auf dem Speiseplan von schönen Menschen stehen konnten, spiegelte sich hier in den Sonnenschirmen, unter denen Menschen lagen, um sich nicht vollständig der Sonne preiszugeben.
Vielleicht ahnte der eine oder andere, dass sich der Himmelskörper verhüllen könnte, vor Langeweile, vor Scham oder vor Abgestoßensein, das nahmen wir einmal hypothetisch an, und dass ein langanhaltender Regenguss, in Kombination mit Hagel und Wüstensand aus der Sahara, dem Urlaubsgefühl, als Strafe für das Sich-Preisgeben, ein Ende bereiten würde, wenn diese Sonnenschirme zugeklappt würden.

Wir schönen Menschen legten uns an ein freies Plätzchen, das schwer zu finden war, wenn man den gebotenen Abstand von drei Metern zum nächsten Liegenden einhalten wollte und blieben ohne Schirm, in der Hoffnung, dass wir der Sonne gefielen.

An jenem Tag, der mit einem desaströsen Sonnenbrand endete, beschloss ich, mich vom Schönsein abzuwenden, ohne das jedoch den Gefährten mitzuteilen, und mich dem Philosophischen hinzuwenden: Warum, so war meine erste Frage, deren Antwort ich mich nähern wollte, welche sich bei der Betrachtung von unter einem Sonnenschirme Liegenden stellte, warum tragen Männer keine Büstenhalter?

Vor der Abreise war ich der Antwort immer noch fern, was mir aber nichts machte, da ich intensiv mit meiner sich schälenden Haut beschäftigt war, die beim Einkremen immer wieder schwarze Würmer bildete und zu Boden fiel.