Ungestempelte, italienische Briefmarken


Endlich Post aus dem Urlaub anderer Leute! Man hat mich nicht vergessen! Freude kommt auf nach einer langen Durststrecke; ich bin nicht allein! Es gibt Menschen, die an mich denken! Man liest die Karte und überlegt, warum man mit Evi angeschrieben wird, der eigene Name ist Mario? Und wer sind Bruno und Barbara? Wieso schreiben die eine Karte? Kenn ich nicht!, schießt es durch den Kopf und dann kommt Enttäuschung auf, daraus resultiert Aggression. Die können mich alle mal, ich will meine Ruhe! Karten schreibt doch heute sowieso keiner mehr, wird rationalisiert. Und dann fällt der Blick auf die Briefmarke. Post aus Italien. Nicht abgestempelt! Typisch Italiener. Vorurteile werden hervorgekramt und helfen über den negativen Zustand durch eine fehlgeleitete Karte hinweg. Stempeln gehen können die, Stütze abholen, aber eine Briefmarke ordenlich zu entwerten, dazu reicht die Energie wohl nicht mehr, wenn man stundenlang vor der Bar herumsitzt  und Frauen hinterherglotzt, dabei Rotwein schlürft und selbstgedrehte Zigaretten raucht. Stundenlang. Wenn diese Faulheit wenigstens jemandem nützen würde! Eine ungestempelte Italienerbriefmarke hat einen Gegenwert von 0,65 €, aber eben nicht hier. Sie abzuknibbeln oder gar mit Wasserdampf zu lösen, bringt nichts. Da müsste man nach Italien fahren und sie auf einer Karte abschicken. Aber die Fahrtkosten!
Obwohl - vielleicht könnte man die Karte an sich selbst adressieren und bekäme endlich Urlaubspost?
Streng genommen gehört die Karte wohl Evi oder Bruno und Barbara.
Ehrlich gesagt: Italien ist kein Urlaubsland!