Ein Garten braucht einen Zaun(1)

Wenn ein Zaun fehlt, kommt es oft zu Alkoholmissbrauch
und Vandalismus
Damals wetterten die Ökofritzen in ihren Jacken aus rückfettender Wolle, während sie gemütlich ihre Socken strickten: Weg mit den Zäunen! Befreit Deutschlands Gärten! Wohin das geführt hat, kann heute jeder in der Tagespresse nachlesen: Die damaligen Gemüseliebhaber nennen sich zwar immer noch Grüne, tragen im Parlament aber keine Turnschuhe mehr mit Sohlen aus naturbelassenem Kautschuk und sind nicht mehr ständig schwanger, weil sie Verhütung ablehnen, sondern zeigen sich im Anzug und freuen sich, wenn sie einen Ministerposten bekommen haben. Jeder ist käuflich, meckert der FDP-Politiker, alles eine Frage des Preises.
Weg mit den Zäunen! Daran will sich kein Grüner mehr erinnern; mittlerweile hat er selbst ein schnuckeliges Eigenheim mit Naturschwimmbecken und Gewächshaus. Fehlt letztlich nur noch der Gartenzwerg, der wohlwollend und milde lächelnd das Ganze bewacht. Denn ein Zaun ist schon da, vielleicht, weil der Nachbar CDU-Wähler ist oder Katholik, weil der auf Spatzen schießt oder Katzenfallen baut, Hunde hasst oder eine verdächtige Glatze hat.
Vielleicht weil er schon beim Kauf des Hauses vorhanden war. Sachwerte ohne Grund zu vernichten ist der Umwelt nicht zuträglich, sondern belastet diese durch die Entsorgung.
Warum eigentlich die Existenz eines Zaunes umständlich erklären? Sie erklärt sich von selbst: Ein Zaun gibt Struktur in den Garten und in das Leben der Menschen, die ihn bewohnen oder benutzen. Er kann den heute Erwachsenen, die immer noch unter einer antiautoritären Erziehung leiden, die Grenzen aufzeigen, die sie seit Jahrzehnten vermissen.
Der Zaun kann Verantwortung einschränken und so das Leben erleichtern. Die Vogelmiere oder die Distel, die sich vom Nachbargrundstück leise durch die Einfriedigung schleichen will, kann eindeutig dem Nachbarn zugeordnet werden. "Hier, kuckensemal, das ist ihr Unkraut, tun Sie das gefälligst weg!" Dieser Satz hat endlich Beweis und Rückhalt und kann umso kräftiger artikuliert werden. Das Selbstvertrauen wird gestärkt, kein infantiles Stammeln mehr, wenn man sein Eigentum verteidigen muss.
Gleichzeitig hilft es bei der Kategorisierung der Mitmenschen. "Schlampe und Hempel" steht auf der Kiste, in die wir Nachbar Schmitz einsortiert haben. Der Angriff seines Würgekrautes fügt diesem Vorgang eine weitere Bestätigung zu. Wir hatten doch Recht.
Der Zaun macht die Welt überschaubar. Das ist meins, und das da hinten ist leider nicht meins. Überschaubarkeit entlastet das Hirn, das sich nicht ständig mit topographischen Problemen beschäftigen muss. Mit geschlossenen Augen durch den Garten rennen, ist der gut gemeinte Rat, haptisch-taktile Erfahrungen machen; die Kniescheiben werden uns schmerzlich signalisieren, dass wir die Grundstücksgrenze erreicht haben. Wie wissen schon die weisen Ärzte: Der Schmerz ist mein Freund. Und wir nehmen unsere Umwelt, unsere Gartenwelt, viel feingliedriger und vielfältiger wahr.
Der Zaun ist der Rahmen, aus dem wir nicht fallen werden.
(Wird fortgesetzt)