Heute vor 6 Jahren und einem Tag: "Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Plattenspielermeditation


Als Kinder waren wir fassziniert von der sich drehenden Scheibe und es war nicht nötig, eine schwarze Platte mit Rillen, die beim Aufsetzen der Nadel erst kratzende und dann tönend-knisternde Känge abgab, aufzulegen. Stumm blickten wir auf die Drehscheibe, bis das Muster im Zentrum immer mehr verschwamm und eins wurde mit unserem stillen Verharren und Warten auf irgendetwas, was da kommen könnte. Es kam nichts, die Scheibe drehte sich und wir wurden müder und müder. Dann erschien es uns so, als wolle sich der Tonarm aus seiner Befestigung lösen, als wolle die Nadel in nichtvorhandene Rillen springen und uns den Klangzauber des Himmels vermitteln, Engelsgesänge vorjubilieren, Aeolsharfen anzupfen, die Geigen zum Schwingen bringen, und die Hymnen des Paradieses und der Ewigkeit direkt in unser Ohr summen. Lange konnten wir auf das sich drehende Rund starren und die Welt um uns vergessen, vielleicht bis Mutter "Abendessen jetzt, los, wasch dir mal die Hände und dann zackzack!" rief, ein Sakrileg, wahrlich, aber ein notwendiges Übel, um uns wieder in die Wirklichkeit mit all ihren Bedürfnissen zu holen. Wir hätten bis zum St.Nimmerleinstag noch dort gesessen und uns der Rechtsdrehung hingegeben. Tief durchatmen, Arme fest, Augen auf! war unser Schlagwort, dann schlugen wir die Augen auf, wenn sie geschlossen waren, und sahen vor uns die unermüdliche Bewegung des Plattentellers, der uns mit 33 Umdrehungen verzaubert hatte. Oft waren wir benommen und nicht wirklich in der Welt der Dampfkartoffeln, des Erbsengemüses und der Schweinefrikadellen; dann beschlossen wir, das nächste Mal 45 Umdrehungen zu wählen. Wer wusste denn damals schon, was Geschwindigkeit bei einem Menschen bewirken kann.
Heute kann kein MP3-Player das leisten, was der Plattenspieler der Volksgesundheit gegeben hatte. Moderne Technik muss nicht immer zum Wohle der Menschen sein.