Graffiti interpretieren: Nordseebesucher

Die Menschen ärgern sich immer wieder über wahllos dahingesprühte Graffitis, die manchmal ohne Sinn und Verstand bleiben und eher danach aussehen, der Sprayer hätte seine Dose endgültig leergesprayt und die Düse gereinigt..
Dann tauchen Wandbotschaften auf, die auf den ersten Blick einen Sinn ergeben:
Parkplatz nur für Nordsee-Besucher.
Auf den ersten Blick wirkt das Graffito klar, geordnet und verständlich.
Vielleicht ein bisschen deutsch und schablonenhaft mit wenig Verve. Unkreativ, aber deutlich.
Erst wenn der Leser nachdenkt und feststellt, dass die Mauer, an die der Text gespritzt wurde, 200 km von der Nordseeküste entfernt ist, wird klar, dass sich hier jemand unter dem Deckmäntelchen des Deutsch-Ordentlichen dem Absurden hingegeben hat.
Hier zu parken und dann die Nordsee zu besuchen, um vielleicht ein Bad zu nehmen oder im Strandkorb den Möwen bei der Nahrungssuche in nicht ausgeleerten Papierkörben zuzusehen, erscheint idiotisch.
Der Nordseebesucher will, genau wie der Badegast an der Südsee, sein Auto in der Nähe seines Strandkorbes wissen und nicht, weil er vielleicht ein bis zwei Euros spart, einen Parkplatz fernab von weißen Stränden und vollen Abfalleimern, über denen Möwen kreisen.
Man kann dem kritisiertenb Graffito zugutehalten, dass unter dem Schriftzug eine Art Nordseewelle abgebildet ist, leider in Zementgrau. Aber dann das Gravierende: Ein vergittertes Fenster! Das zeigt dem Betrachter, dass sein Urlaub doch nur eine Flucht aus dem Gefängnis  des Alltags ist, dem er eigentlich nicht entrinnen kann.
Die Nordsee ist darüber hinaus wirklich zementgrau, weil das Wattenmeer darunterliegt.
Immerhin macht folgende Tasache froh und lässt an die Menschen glauben: Der Parkplatz ist in der Regel unbesetzt.
Von Ferne hört man aber Möwengeschrei und ein subtiler Geruch nach Fisch dringt in die Nase des vorbei schlendernden Fußgängers.