Kurts Geschichten: Bettelbarbie


Bettelbarbie saß am Straßenrand und schaute die Menschen mit ihren großen blauen Augen an. Niemand nahm Notiz von ihr und sie wunderte sich anfangs, um dann später in eine tiefe Depression zu versinken, was auch immer das sein mochte. Wie herzlos die Menschen doch waren. Sie, die Schöne, die die Welt mit ihrem Dasein beglückte, die von allem Hässlichen ablenkte, die die Sonne an einem Regentag war, wurde ignoriert. Sie schob sich die weißen Strümpfe auf die Schuhe hinunter und nahm ihre rosafarbene Fotokamera hervor, weil sie arme Kinder fotografieren wollte, die vorbeikommen würden und ihr kein Geld in den Schoß legten, weil sie keines hatten. Sie würde ein Foto machen und milde lächeln, so als müsste sie ihnen verzeihen, dass sie keine milde Gabe für ein bedürftiges Blondlöckchen hatten. Das Foto würde sie zu Hause in dem alten Fotolabor entwickeln, das Ken nicht mitgenommen hatte, als er ausgezogen war. Dann würde sie die Fotos vergrößern und Schwarzweißabzüge davon machen und den Kindern schenken. Die aber waren dann schon weg, wenn sie überhaupt vorbeigekommen wären. Bettelbarbie schwirrte der Kopf. So viele Hauptwörter, die aus mehreren Teilen bestanden, so viele unterschiedliche Orte, und dann die vielen Kinder. Das machte sie ganz wuschig. Ken konnte ihr obendrein gestohlen bleiben. Und das Fotolabor konnte er sich in die Haare schmieren, wenn das überhaupt möglich wäre. Heute gab es ja schon Kameras, auf denen man die Bilder sofort wieder löschen konnte, und das wäre sowieso einfacher. Arme Kinder fotografieren und dann wieder löschen, weil man nicht hinter ihnen rumlaufen konnte. Sie waren doch immer so unstet. Erst mal mussten die armen Kinder kommen. Nicht mal die armen Erwachsenen blieben stehen. Ob das an ihrem Parfüm lag? Oder am Make up? Bettelbarbie fror an den Beinen und beschloss, die Strümpfe wieder hochzuziehen und vielleicht noch mal nach einem neuen Top für den Frühling zu gucken. Bettelbarbie, was sollte das denn sein? Sie hatte nicht eine müde Mark erbettelt.