Erziehungsmethoden im Wandel


Bobbi hat mal wieder bei Tisch randaliert, und das, obwohl Tante Trude da war, oder wahrscheinlicher: weil Tante Trude da war. Einem Zappelphilipp wurde früher die Finger gestutzt, um ihm ein für allemal beizubiegen, wer das Sagen hatte. In erfolglosen liberalen Phasen versuchte man mit antiautoritären Mitteln das Kind in die richtige Richtung (Ich mache was ich will und nenne das Selbstverwirklichung) zu beten, was aber letztlich nur Loser und Depressive erzeugte, denen man bescheinigte, sie hätten keinen Herrn und keinen Hirten.
Mit der Erfindung des Nutellabrotes änderte sich einiges: Erstmals treten hyperaktive Kinder auf den Plan, einige zusätzlich mit einem Aufmerksamkeitsdefizityndrom ausgestattet. Die Wörter konnten sie nicht schreiben, aber aussprechen, immer dann nämlich, wenn ihr Verhalten abweichlerisch war, wenn sie die Mitmenschen mit ihrem unkontrollierten Getue an den Rand der Weißglut brachten. „Das habe ich auch schriftlich!“, warfen sie in das aufgeregte Gemurmel der Bevölkerung ein, die gerade einen Masterplan zur finalen Lösung des Problems aufstellte. Sie hatten es immer schriftlich, damals Legasthenie, heute Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom. Das hatte dann der Arzt geschrieben, denn auch Mutter war überfordert mit dieser Krankheit.
Die Geduld der betroffenen Eltern ist auf eine harte Probe gestellt worden; mittlerweile sind die meisten durchgefallen. Andere Maßnahmen mussten her: Individuelle Förderung. Nicht mehr dieses „Dafür müssen Sie Verständnis haben, er kann ja nichts dafür.“
Lernen in idyllischer Abgeschiedenheit, Lernen bei unterschiedlichen Außentemperaturen, Lernen an frischer Luft. Früher hieß das: „Den habe ich erst mal rausgeschmissen!“ Heute umschreibt man eher mit: „ Geh du mal nach draußen in deinen stillen Stuhl. Wenn du deinen Mund hältst und keinen Unsinn veranstaltest, darfst du dir eine Jacke, eine Mütze und ein Nutellabrot mitnehmen.“
Solange man den Zögling nicht hereinholt, funktioniert das.
Aber - es ist ein Anfang. Erziehung war immer ein Abbild der Gesellschaft. Und Bobbi kann wirklich nichts dafür.