Peter Armke: Blut im Schnee (2010)


Der Schnee hatte seine Unschuld verloren. Er hatte das Land vor Tagen unter einer weißen Decke versteckt, das triste Grau, den Dreck, das Schmuddelige, das Trübe und Traurigmachende, das die Menschen verzweifeln lässt; selbst die Sorgen, die Probleme, alles war verschwunden, als sei die Welt noch einmal neu geboren, ohne die Vergangenheit ganz zu vergessen, wie eine Reinkarnation, gutes Karma, Unschuld, Reinheit, Klarheit, als wäre es möglich, noch einmal von vorne zu beginnen, einen neuen Anlauf zu nehmen, nicht mehr die Fehler zu machen, die die Menschen ins Düstere, in das Erdrückende, in die Hölle auf Erden geführt hatten. Das Land hatte seine neugewonnene Unschuld verloren.

Dieser Angler. Stundenlang hatte er herumgesessen und gelauert, seinen Köder ausgeworfen, unbeweglich hatte er aufs Wasser gestarrt.
Nach Stunden hatte ein Fisch an seiner Angel gezuckt. Endlich!, war es heiß durch seinen Körper gerast. Endlich! Der Fisch an Land, ein Schlag mit dem Stock, ein paar geübte Schnitte, das Gedärm zurück ins Wasser, das Blut in den Schnee. Die Unschuld verloren. Die Hoffnung auf ein neues Leben verendet mit dem Fisch.
Daheim schlug der Angler die Zähne in das gebratene Tier. Die Frau hatte ihn zubereitet nach dem Rezept ihrer Mutter. Jedes Mal hoffte sie, er würde das Angeln endlich aufgeben und das Schweigen durchbrechen.
Sprich doch endlich mit mir!, schrie es stumm in ihr. Was habe ich dir getan?
"Schmeckt lecker!", murmelte der Angler und zog sich eine Gräte aus dem fettriefenden Mundwinkel.