Heinrich Bumm: Irlandtagebuch (1)

Ragnhild wagt sich als erste in die Gefahr des Linksfahrens mit einem nagelneuen, geliehenen PKW, der natürlich das Steuerrad rechts hat. Die vier Insassen hoffen, dass sie gut versichert sind. Auf falscher Bahn flitzen die Autos dahin, niemand will sich die Blöße geben, als Linksfahranfänger zu gelten. Also den Fuß aufs Gaspedal und nicht den Verkehr behindern. Alles muss fließen

Linksfahrende Radfahrer müssen in der Regel so überholt werden, dass der Seitenspiegel nicht deren rechten Arm streift, der Mittelstreifen ist eigentlich nicht tabu, wird aber von Mitteleuropäern als Grenze zu einer anderen Welt, zu der der rechtsfahrenden Geisterhafter nämlich, gesehen.
Ein dumpfes "Klong" ist zu hören.
Ragnhild, fahr nicht so dicht an die Radfahrer!, nervt Hans.
Fährst du oder ich?
Du, natürlich, aber trotzdem, den eben hättest du fast weggeputzt.
Ragnhild ist extrem angespannt. Sie muss beweisen, dass sie es kann, dass sie auf der falschen Fahrbahn zurechtkommt, vor allem mit der ganzen Lenkeinrichtung auf der falschen Seite. Irland. Wer wollte dahin? Egal.
Der muss eben aufpassen, die Straße ist ja nicht so breit, zischt Ragnhild Hans an.
Du darfst auch über den Mittelstreifen fahren, das ist wie in Deutschland, lenkt Hans ein.
Wenn du jetzt nicht aufhörst, steige ich aus, wird Ragnhild lauter.
Du machst das sehr gut, Ragnhild, lobt Hans und schweigt dann.
So treibt denn das fast obszön zu nennende Verkehrsgebahren der Iren die Stimmung im Wageninnern mal nach oben, dann wieder in ungeahnte Tiefen.
Das Lenkrad schweißnass, landet der Wagen endlich vor der Stadt; das Stadtgetümmel der Autos weicht einem eher milden Landtreiben. Alles wird übersichtlicher, die Straßen allerdings schmaler, so dass sich nicht nur die Augen der Insassen zu Sehschlitzen verengen. Schließlich sind die Straßen so schmal, dass meine glauben könnte, es gäbe sowieso nur eine Spur. Da macht Linksfahren Spaß.