Vom Lande: Der Tod lebt mit (1)


Bodo war auf dem Lande groß geworden und der Tod war ein regelmäßiger Besucher. Selten waren es Menschen, ganz selten Mitglieder der Familie, die von diesem Besuch überrascht wurden; meistens waren es Tiere, aber eigentlich gehörten die auch zur Familie. So wie das Schwein Hans. “Eck hebbe gistern Köllings Heinz Bescheid secht“, sagte die Mutter zum Vater, und damit war klar, dass Hans, der seit einem knappen Jahr im Stall stand und gefüttert wurde, in der nächsten Woche sterben würde. Köllings Heinz würde ihn mit seinem Bolzenschussgerät töten. Der Bolzen würde durch die Schädeldecke ins Hirn dringen und das Schwein betäuben. Ein Schnitt in den Hals gäbe den Rest, das Blut liefe in einen Steinguttopf, die Mutter musste dabeistehen und das warme Blut, damit es nicht gerann, mit einem Quirl aus einer dünnen Baumwurzel rühren. „Mach’s gut, Hans“, flüsterte Bodo im Schweinstall und streichelt die festen Ohren des Schweins, das gierig seinen Kopf in den Trog gesteckt hatte und den Knust Brot, das letzte, manchmal vertrocknete Stück vom Brot, verschlang. Bodo hatte es ihm heute spendiert, obwohl er es selber gern gegessen hätte. Ein paar Tage würde Hans noch Hans sein, dann wäre er Leberwurst und Pökelfleisch, Stippgrütze und Wöppkenbrot. Irgendwann wäre ein neuer Hans da, ein kleiner, der so ähnlich aussah wie der alte und der fast die selben Verhaltensweisen hatte: Fressen, im Mist herumwühlen, ausruhen und grunzen, fett werden bis zur Schlachtreife. So blieb keine Zeit zum Trauern. Köllings Heinz würde nach getaner Arbeit die weiße Plastikschürze zusammenrollen und mit einem Jutesack bis zum nächsten Jahr verschwinden. In dem Sack verstaute er die Schweineborsten, die im Sommer zu Borstenpinseln verarbeitet werden sollten. Das aber machten andere; in der Zeit arbeitete Köllings Heinz als Maurer. (Fortsetzung folgt)