Schweres Los der Zahnärzte

Der Lehrer beweint gern und mit Recht sein schweres Los. Und hat dabei nicht das viel schwerere der Zahnärzte bedacht. Jeder Mensch spricht gern mit anderen, erhält gern Reaktionen auf sein Gesagtes, liebt es einfach in viele Richtungen zu kommunizieren. Das macht ihn ja als soziales Wesen aus. Der Lehrer ist gesegnet mit Kommunikation, täglich umschwirren ihn glockenhelle Kinderstimmen oder der sonore Bass des Schulleiters. Trotzdem ihn das Schicksal bevorzugt, kann er sich einer weinerlichen Selbstbemitleidung nicht entledigen. Darüber hinaus übersieht er das schwere Los seiner Mitmenschen. Das Sich-Vor-Augen-Halten dieser Schicksale könnte Hilfe sein, das ständige gedankliche Umkreisen seines Loses aufzugeben und dafür eine aktive, gestalterische, produktive Haltung einzunehmen, die jeder Bildungsministerin den Karriereschub erleichterte. Wie auch immer! Der Zahnarzt ist der Gebeutelte unserer Gesellschaft. Nicht dass ein christdemokratischer Gesundheitspolitiker auf ihm herumhackt, nein, er ist der große Einsame unserer Zeit. Umgeben von schweigsamen, alternden Sprechstundenhilfen, führt er nur einseitige Gespräche. Das Organ der Kommunikation, der Mund, durch ein Tuch verhüllt, die Hände in dünnhäutige Handschuhe gesteckt, bleibt ihm nichts, als täglich die sich in den Behandlungsstuhl krallenden Patienten zu besprechen. Diesen ist aufgegeben, den Mund zwar aufzureißen, aber doch zu halten, und zwar so, wie er ist: weit aufgerissen. Mehr als ein HÖHÖ oder NhNh kommt aus ihnen nicht heraus, und was das heißen soll, weiß nicht einmal der Behandelnde. So führt er eigentlich Selbstgespräche und vereinsamt immer mehr. Die wachsende Praxis lässt kaum Zeit für die Familie, die derweil die Honorare wegfrisst. Und, mal ehrlich: Wer will schon freiwillig mit einem Zahnarzt sprechen? Die armen KerlInnen sind gezwungen, ihre innerliche Zerrüttung, ihren Frust, ihre Seelenqual durch Statussymbole zu kompensieren. Klar, dass das ins Geld geht. Also muss weiter verdient werden. So ist ein Teufelskreis entstanden, den nur schwer jemand, der bereits in diesem rotiert, verlassen kann. Also, Lehrer, ruhig bleiben! Erst mal das Schicksal anderer studieren und nicht immer gleich losheulen!