Georg Krakl: Paradox (2014)

Der Heilbutt
ist kaputt.

Krakl spart mit Worten, das weiß man mittlerweile. Das hat natürlich System, das hat auch Grund:
Lakonisch beschreibt der Dichter, dass ein Fisch, der Heilbutt, eben kaputt sei. Nicht irgendein Fisch, sondern der Heilbutt, als Symbol der bedrohten Fischwelt, als Heiler unter den Fischen, als der, der anzeigt, wenn die Wasserwelt baden geht. Der Heilbutt, im Sinne des Ganzbuttes, dem nichts fehlt, der ganz und gar vollständig ist, der in Einheit mit der Natur lebt, der sich unbeschadet im heilen Ozean mit kräftigen Schwanzschlägen bewegt, der ist kaputt.
Vielleicht hat Krakl zum Wort kaputt aus Reimgründen gegriffen; ein anderes wäre auch nicht möglich, denn es drückt lapidar und und unpathetisch aus, was wir alle längst wissen.
Die Lebenswelt unseres Fischfutters ist bedroht, sie ist beschädigt. Der Butt kann nur noch Butt sein, nicht aber Heilbutt, denn das lässt sich nicht so einfach reparieren, was da entzwei gegangen ist.
Krakl hätte auch schreiben können:

Der Hai
ist entzwei.

oder

Der Barsch
ist im Arsch.

Alles nichts gegen die obigen Zeilen. Das eine zu nett, zu geziert, zu prätentiös.
Das andere platt und herb, was jeden Lyrikfreund vor den Kopf stößt.
Der kaputte Heilbutt, das ist paradox und zeigt in seiner Widersprüchlichkeit, wo wir gelandet sind.
Der Hering ist vom Massennahrungsmittel zur Delikatesse verkommen, den Matjes gibt es nur noch im VIP-Zelt und man schlotzt ihn in den Verdauungstrakt wie ehemals den teuren Beluga-Kaviar.
Krakl zeigt in seinem Zweizeiler, dass man mehr nicht braucht, um die Menschen aufzuwühlen und sie misstrauisch gegenüber jeder Fischfrikadelle und ihrer Produzenten werden zu lassen.
Die Welt kracht aus den Fugen.
Der Heilbutt
ist kaputt.
Und der Heilbutt steht für alles, was heil war.
Der Butt ist Schutt.
Das ist die nächste Stufe; und vor der sollten wir uns hüten.