Günter Krass: Erinnerungen - Über den Wolken

Damals dachte ich noch, dass über den Wolken die Freiheit reisengroß sei. Ich war gestürzt und hatte mir die Haut unter der Nase aufgeschürft. Ich lag auf dem Rasen und starrte selbstbemitleidet in den Himmel. Wind Nord-Ost kam es mir in den Sinn, als ich die Luftbewegung am linken Ohr bemerkte. Jetzt auf einer Startbahn stehen, vielleicht Startbahn o4, was auch immer das bedeuten mochte, ein leises Motorengeräusch war zu hören, wohl Onkel Rudi, de ferne seinen Rasen mähte, oder mit der Motorsense seinen Graben ausmäht, nein, halt, das war ein schärferes Geräusch, bis hier hörte ich die Motoren, denn irgendwo da draußen musste ein Zweiter seinen Rasen mähen, so war das immer, wenn einer angefangen hatte, war schnell ein Weiterer dabei, jetzt dröhnte es in meinen Ohren, sie hatten ihre Gashebel bis zum Anschlag aufgezogen, dann der Regen, ich hatte ihn gar nicht bemerkt, der Asphalt nass, dachte ich beim Aufstehen, und - wie ein Schleier staubte der Regen. Der Asphalt bebte, als Günni in seinem Ford Capri an mir vorbeizog, wie ein Pfeil eben. Ich beschloss an diesem Nachmittag, Gitarre zu lernen und irgendwann als Liedermacher Karriere zu machen, wenigstens als Schlagersänger. Die Wunde unter der Nase war auch schon fast zugeheilt.