Kein Trinkwasser in Köln


Rheinaue, nobles Wohnviertel; etwas für Betuchte. Aber traut man den Menschen, die dort in modernsten Bauten ihr anonymes Leben fristen, wirklich etwas zu? Im Kopf? Oder hat der Lifestyle alles verkleistert, eingegipst, dass der Grips nicht mehr arbeitet? Kein Trinkwasser. Das Schild, montiert auf einer Betonplatte, weit und breit von Wasser nichts zu sehen, hat diese schlichte Botschaft: Dies ist kein Trinkwasser. Das ist Beton, denkt der Leser weiter, wenn du das trinkst, haust du dir den Kopf ein. Außerdem geht das gar nicht, weil Beton einen Aggregatzustand hat, der das Trinken verhindert. Versuch einfach, lieber Lifestyle-Mensch, lieber Yuppie, geehrter Ouppie, versuch, einen Strohhalm in dein Getränk zu rammen! Der wird zerknicken. Was, Wasser trinkt man nicht mit dem Strohhalm?
Lassen wir das, das Gespräch fortzusetzen wäre sinnlos. Kein Trinkwasser. Warum schreibt man nicht: Keine Luft? Kein Butterbrot? Kein Bier? Keine Ahnung.
Der moderne Mensch hetzt an solchen Tafeln vorbei, sie berühren ihn nicht, er berührt sie nicht.Fass mich nicht an, dann fass ich dich auch nicht an. Das ist die Vereinbarung.
Für wen sind dann die Tafeln gedacht? Für die Neider, die sich an den Fensterscheiben nicht die Nase plattdrücken können, weil diese eine Etage zu hoch sind? Sollen sie die Neider beruhigen? Die Menschen hier haben kein Trinkwasser, daher nehmt euer eigenes missratenes Schicksal nicht so schwer!Vielleicht ist es Kunst, und dann wären wir aus dem Schneider. Dann können wir ein Foto machen und denken: Och, Kunst!
Wenn uns das Foto zu Hause nicht gefällt, dann löschen wir es. Und dieser Vorgang schafft Befriedigung. Er entschädigt für alle Zweifel, die in uns keimten, als wir das Schild lasen: Kein Trinkwasser.