Vorurteile auf dem Campingplatz


Ich hatte den merkwürdigen Camper schon einige Zeit beobachtet. Irgendwie hatte er etwas Quasimodohaftes an sich, aber ich war glücklicherweise nicht Esmeralda.

Der Camper hatte wulstige Augenbrauen, die Augen tief verpackt in geschwollenes Bindegewebe, die Nasenflügel wirkten wie einmal aufgebläht und nicht zurückgeschrumpft und die Ohren waren reichlich zu lang und auch nach oben zu spitz. Der Mund war unküssbar für Esmeralda, aber die Finger waren lang und elegant. Leider hatten sie an den Spitzen Fingernägel, die in Richtung "medizinisches Schneidwerkzeug" zugefeilt waren.
Der Rücken war rund und der Mann ging, oder besser, huschte immer gebeugt über den Platz.
Es drängte sich mir auf, zu ergründen, welchem Staat der unglücklich geformte Mensch wohl angehören mochte.
Er war groß genug und wahrscheinlich blond, wenn man seine kurzen und wenigen Haare genau betrachtete, und stützte sich beim Gehen, das manchmal eher ein gehüpftes Hinken war, mit der Rechten auf dem Boden ab, denn auch die Arme waren einiges zu lang für einen normalen Menschen. Vielleicht ein Holländer, dachte ich, angepasst an eine feuchte Welt, in der es hieß, dem Meer Land abzuringen? Der gebeugt geht, weil er ständig die Anhängerkupplung seines Wohnwagens an das Zugfahrzeug hängen musste?
Ein Engländer oder Ire, der häufig zu viel trinkt und dann in gebeugter Haltung, die Schläge der Ehefrau erwartend, sich auf die Hände stützt, um nicht auf dem Heimweg aus dem Pub umzukippen?
Vielleicht war es ein Belgier. Franzosen verachten Belgier, weil sie Französisch sprechen und dadurch wirken, als seien sie Franzosen, und weil ihre Kleidung häufig aus dem selben Stoff genäht ist wie ihre Campingklappstühle.

Ich brach ab in meinen Gedanken, weil Wilma mit den Baguettes kam und es jetzt ans Frühstück ging.

Vielleicht waren das alles nur Vorurteile und es war ein ganz ansehnlicher Teufel, der einmal Urlaub von der Hölle machte?

Als wir die Baguettes verdrückt hatten, war der Bursche verschwunden. Ich hätte auf das Nummernschild achten sollen! Stand H nicht für Hölle? Gut, konnte auch Himmel heißen. 
Eigentlich war ich froh, dass der Buckelpeter verschwunden war, irgendwie doch kein schöner Anblick, da kann man eher noch auf einen Rollstuhlfahrer blicken, ohne dass die ganze Erholung flöten geht.