Jetzt ist Zeit, Weihnachtsmänner zu essen


Lange genug hat der Rotmantel auf der Anrichte im bunten Teller gestanden. Jetzt wird es Zeit, ihn zu verzehren. Aber: Wie schlachtet man einen Weihnachtsmann? Ist das Wort schlachten überhaupt der angemessene Ausdruck? Da wir uns im Verzehrbereich bewegen, lassen wir das Wort gelten. Eine Gans wird ja auch nicht erwürgt oder erstochen, sondern geschlachtet, um anschließend in deutschen Küchen in der Backröhre zu landen.
Um einen Weihnachtsmann in Nahrung zu verwandeln, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die unterschiedlich stark propagiert werden:Der eher kannibalisch orientierte Zeitgenosse reißt dem Objekt das Stanniol herunter und schlägt seine Reißzähne in die Vollmilchschokolade, lässt den Kopf im Mundraum verschwinden und zermahlt das Stück mit den Backenzähnen ohne an den nächsten Zahnarztbesuch zu denken.
Der eher zart besaitete Esser, der mitfühlend ist und keinem Wesen Schmerz zufügen möchte, hält das gute Stück in beiden Händen, die Daumen auf die Brust gelegt, streichelt über die Wangen und Stirn des Bartträgers, um dann ruckartig und blitzschnell den Daumendruck zu erhöhen und die Schädelplatten einzudrücken. Anschließend wird die schützende Hülle vorsichtig entfernt und Bruchstücke des Erdrückten in den Mund gesteckt, um auf der Zunge zu zergehen.
Der Weihnachtsmannhasser, der aufgrund traumatischer Erlebnisse in der Kindheit ein gestörtes Verhältnis zu Bart, Sack und der Farbe Rot hat, bricht dem Burschen erst mal die Beine und lässt ihn ein oder zwei Tage stehen bzw. besser: liegen. Dann geht er systematisch vor, zertrümmert jeden Tag eine andere Partie, um schließlich am Kopf angekommen zu sein. Endlich gibt er es dem Hund in den Napf und trinkt dann eine gehörige Portion Lumumba.
Der Vegetarier geht recht direkt und zielgerichtet vor: Weihnachten ist in der heutigen Form ökologisch nicht zu halten, folglich hat auch der Weihnachtsmann in Schokolade nichts in der trauten Wohnung zu suchen! Einige gezielte Handkantenschläge machen aus der essbaren Deko eine Mahlzeit für den kleinen Hunger. Weihnachtsmänner sind fleischlos, damit sind sie keine Wesen, also kann man ihnen ohne Schuldgefühle zu Leibe rücken.
Die besonders Sanftmütigen holen das alte Osterhasenstanniolkostüm aus dem Schrank und versuchen, den Weihnachtsmann umzukleiden, damit er bis Ostern im Wohnzimmer stehen kann und den Frühling ankündigt.
Wenn man dieses Ritual jedes Jahr wiederholt, erübrigt sich nach fünf bis sechs Jahren die Frage nach dem Verzehr.