Neulich vor einem abstrakten Gemälde
wusste ich nicht recht, was ich sehen sollte. Ich starrte auf die Farben und
nichts Rechtes kristallisierte sich heraus, mit dem ich hätte etwas anfangen können.
Ich verweilte trotzdem oder gerade deswegen ein weiteres Weilchen
vor der bemalten Leinwand und dann plötzlich
sah ich Helmut Kohl, wie er verschmitzt durch die Farben lugte. Ich dachte
daran, dass man das Wort lugen kaum noch benutzt, wohl aber das Wort lügen, und dass dieser Helmut Kohl, der sich gerne Wiedervereinigungskanzler nennen ließ, gelogen hatte, und es als
seine Ehre ansah, Schwarzgeldhinterzieher nicht zu nennen. Das Wort Ehre
verband ich dann mit dem Adjektiv ehrlich, und dass das am längsten währt. Kohl wollte seinen Kanzlerstuhl nie verlassen,
wahrscheinlich um diese These zu stützen.
Schließlich ging er doch
und das Volk konnte sehen, dass der immerhin ein Meter neunzig große Kohl gar nicht so kurze Beine
hatte, wie er aufgrund der Lügen
hätte haben müssen. Schließlich löste ihn ein selbstverliebter Sozialdemokrat ab und
den dann ein trauriges Mädchen
aus der DDR, die das Aussitzen vom Dicken, wie der Kohl lieblos genannt wurde,
von Birne, wie ihn die Spötter
nannten, gelernt hatte.
Im Bild entdeckte ich keine weiteren Botschaften und so beschloss
ich einen Kopfstand zu machen. Die neue Perspektive bescherte mir ein
Hitlergesicht,und ich erschreckte, dass man Kohl auf den Kopf stellen konnte
und Hitler erschien. Dann atmete ich auf, denn nicht das Bild oder der Kohl
standen kopf, sondern ich. Beruhigend, dachte ich. Und dann hatte ich die schlüssige Botschaft: Du kannst dich
auf den Kopf stellen, dann steckt in jedem Kohl auch ein Hitler, wie abstrakt
dir das auch erscheinen mag. Rechts bleibt rechts, auch im Kopfstand.
Bei längerem
Betrachten des abstrakten Gemäldes
erkannte ich, dass abstrakte Gemälde
mir persönlich zu abstrakt
sind. Vielleicht sollte man es verbieten, buntes Geschmiere, das zufällig nach Kohl oder Hitler
aussieht, als Bild zu bezeichnen und öffentlich
in einem Museum auszuhängen.