Tonnes Tagebuch: Vertrauen und Preiserhöhung bei Unbeweglichkeit


 Liebes Tagebuch!

Wie viel Vertrauen haben die Menschen heutzutage überhaupt noch?
Ein Mann schließt heute Mittag seinen hochglanzpolierten dunkelblauen Opel ab, mittels Funk und Zentralverriegelung. Geht dann um den Wagen herum und rüttelt an jeder Tür, ob die denn auch alle zu sind.
Wie viel Vertrauen hat so ein Mensch in seine Mitmenschen, wenn er nicht mal einer Zentralverriegelung traut?
Das ist doch fast so, als wenn ich meiner Kaffeetasse nicht traue und jedes Mal, wenn ich trinken will, diese vorsichtig anhebe, um zu gucken, ob der Boden noch fest mit dem Rest zusammenpappt. Oder leicht am Henkel ziehe, ob der nicht vielleicht abfällt, wenn ich den nächsten Schluck nehmen will. Wie mühsam wäre ein Frühstück oder das sonntägliche Kuchenessen mit Kaffee, das sowieso schon mühsam ist mit Oma!
Einen, der seiner Zentralverriegelung misstraut, würde ich nicht einstellen, sagt Benno immer, und der ist Marktleiter und hat Kriterien. Den würde ich sogar entlassen.
Wo ist nur das Vertrauen geblieben? Vor allem: Wie kann man denn einen Opel kaufen, einen Wagen von General Motors? Seit Jahren ist klar, dass die dicht machen werden.
Opel kaufen, aber der Zentralverriegelungen am gekauften Opel misstrauen. Das ist doch paradox! Das ist doch ein unauflösbarer Konflikt.
Da stimmt doch was nicht in den Menschen. Da muss man doch was austauschen. Die Frage ist: Welches Organ ist für das Vertrauen zuständig?


Ich  wollte einen Brief losschicken. Als ich ihn geschrieben habe, war das Porto 55 Cent.
Als ich ihn losschicken wollte, war das Porto erhöht worden auf 58 Cent.
Ich habe den Brief erst mal liegengelassen und 3 Cent-Marken gekauft, die es plötzlich gab! Die hat es früher nicht gegeben, vielleicht ganz früher, als die Briefmarken noch Pfennige kosteten. Aber jetzt, nach der Preiserhöhung, nach der Preisanhebung! - das klingt wohliger- gibt es die!
Heute wollte ich den Brief losschicken; sagt doch Tanja, dass ein Brief jetzt 60 Cent kostet. Also musste ich noch eine 2-Cent-Marke kaufen. Auch die gibt es neuerdings. Ich habe den Brief dann gleich mitgenommen und nachbeklebt. Wer weiß, was der Brief morgen kostet.
Das Anstehen für 2 Cent bin ich überhaupt nicht mehr gewohnt.
Leider musste ich die Marke selber anlecken, damit sie klebt.  Heutzutage sind die Marken ja selbstklebend. Nur die Nachklebemarken muss man selber anfeuchten. Wahrscheinlich als Strafe, dass man so selten Briefe verschickt.
Vielleicht ist das Porto ja auch deshalb, wegen des Selbstklebens, teurer geworden.
Abknibbeln ist allerdings nicht mit im Preis. Bin gespannt, wann das kommt und wie das gehen soll. Selbstabknibbelnde Briefmarken! Toll.

Als ich aus der Post raus bin, steht da der selbe silbern geschminkt Darsteller oder sich selber zur Schau-Steller und isst ein Würstchen.
Bereits auf dem Weg in die Post stand er da und bewegte sich, was er eigentlich gar nicht darf, denn wenn die Leute etwas bezahlen und in seinen auf dem Boden stehenden Hut werfen, dann, weil sich der Schausteller  nicht  bewegt. Er wirkt dann wie ein silbern geschminkter Mensch, der sich nicht bewegt. Und das ist für viele wohl ein Wunder, weil sie es selber nicht schaffen, unbeweglich herumzustehen, oder keinen Sinn darin sehen, weil sie einer geregelten Arbeit nachgehen.
Der Darsteller, der sich eigentlich nicht bewegen sollte, aß ein Brötchen, als ich in die Poststelle ging. Ich dachte: Auch Darsteller, die unbewegliche Menschen darstellen, machen mal eine Frühstückspause, denn man kann ihr Rumstehen weitestgehend als Arbeit bezeichnen, und wer arbeitet, hat auch ein Recht auf Pause.
Beim Hinausgehen isst der Mann immer noch und ich denke: Vielleicht ist das eine neue Nummer, eine Erweiterung des unbeweglich Herumstehens. Vielleicht heißt die neue Nummer: Ein Mann isst ein Brötchen und später eine Wurst, obwohl er eigentlich unbeweglich herumstehen muss, denn sein Gesicht ist silbern geschminkt.
Ich habe verzichtet, den Mann das zu fragen, weil er dann hätte reden müssen, was seine neue Nummer möglicherweise verdorben hätte.
Ich habe auch nichts in seinen Hut getan, weil mir nicht klar war, ob das wirklich eine neue Nummer war. Überhaupt: Ich gebe Leuten nichts, die nur herumstehen und nichts tun. Das sind Nichtstuer und davon gibt es genug.

So ein Tag kann spannend sein. Das alles habe ich in nur 90 Minuten erlebt, und der Tag ist noch nicht zu Ende. Ich höre hier aber auf, weil ich jetzt mal eine Pause brauche.