Stadt oder Land


In der Stadt herrscht Anonymität. Niemand interessiert sich für niemanden. Alle laufen aneinander vorbei. Verstorbene verwesen hinter verschlossenen Türen.
Aber: Der Mensch hat seine Ruhe. Spätestens hinter den verschlossenen Türen.


Auf dem Lande kennt jeder jeden, und jeder weiß über jeden Bescheid. Informationslücken werden selbständig gefüllt. Steh nicht zu lange vor einem Haus, morgen willst du es kaufen. 
Sprich nicht zu lange mit einer Nachbarin, morgen hast du ein Liebesverhältnis mit ihr.
Überleg, was du im Ort einkaufst. Eine Flasche Schnaps zu viel, vor allem die billige Sorte, morgen bist du vielleicht Alkoholiker, oder hast einen zu Hause.

Die Menschen nehmen Anteil am Leben der Mitbewohner. Besondere Zuwendung erfahren die Zugereisten. Sorgenvoll scheint der fest Verwurzelte auf das Treiben der "Neuen". Werden sie die Sitten und Gebräuche des Dorfes respektieren und sich ihnen unterwerfen? Werden sie ihren Rasen kurz halten, ihre Rasenkanten sauber schneiden und den Grünschnitt nicht einfach in den Straßengraben kippen? 
Werden sie ihren Restmüll am Freitag verbrennen oder heimlich die ganze Woche einen kleinen Schwelbrand in Gang halten? Verboten. Einheimischen vorbehalten.
Ruckzuck ist das Ordnungsamt da.
Sprechen sie seltsam? Treten sie einem Verein bei? Helfen sie bei der jährlichen Müllbeseitigungsaktion der Feuerwehr?


Man stellt Fragen und stellt Hypothesen auf.
In diesem Rätselraten muss sich der Mensch aufgehoben fühlen. Und er muss versuchen, die Hypothesen zu widerlegen, zu falsifizieren. Manchmal geht das nur durch Wegziehen.
Aber wohin dann? Ab in die Stadt.