Rikki don't lose that number - Was Musik so alles mit einem macht...

Fred hatte sich unter Steely Dan etwas ganz anderes vorgestellt, so einen knallharten Kerl, Bautyp Hochofenstahlarbeiter, der abends noch in die Mukki-Bude geht und als Personalchef in der Rockergang Free Willies oder so ähnlich tätig ist, dort Prospects prüft, was natürlich nicht die Werbehefte vom Lidl oder Aldi sind, sondern Anwärter auf eine Mitgliedschaft im Motoradclub.
Und dann sollte Rikki seine Nummer nicht verlieren, er sollte sie sich selbst zuschicken in einem Brief! Das machen heute viele, die an Gedächtnisschwund leiden, dass sich sich selbst Mails schicken, in denen sie sich selbst erinnern, eine Mail abzufrufen, die etwas Wichtiges enthält, denn in der Regel tut sie das ja nicht, es sei denn der Chef hat was geschickt. Heute würde man sich auch eher eine WhatsApp-Nachricht zusenden, das geht aber nicht ohne zweites Handy.
Rikki, don't lose that number, brummte Fred mit und musste an das beharrliche und penetrante Eselsbrückengehabe des Englischlehrers denken, der ständig psalmodierte: to lose mit einem o, weil das o weg ist, lost, also verloren, to loose aber heißt lösen und to louse mit ou eine Stadt in Frankreich ist.
Toulouse or not Toulouse, grunzten wir in unseren Schulbänken, und nahmen das Leid der Autofahrer mit Navigationssystem, das sich zwischen zwei Alternativen nicht entscheiden kann, vorweg.
Von Toulouse oder not Toulouse kamen wir direkt in den Hamlet zu Toby oder not Toby, auf deutsch Tobias oder nicht Tobias, die Frage mit dem Totenschädel, aber Tobias ist nicht Rikki, und Rikki ist ein ostdeutscher Namen, ein ostzonaler Name hätten wir damals gedacht, wenn wir gewusst hätten, dass es junge Menschen in der Ostzone gegeben hat.
Von der sogenannten DDR wussten wir nur, dass es in der Magdeburger Börde Löß gab und dort Rotkohl angebaut wurde. Sozialismus eben. Rotkohl.
Jetzt steht Rikki da neben Danny und Ringo und Maik, und sie schauen Mandy, Nancy und Cindy nach. Rikki versucht, die Nummer nicht zu verlieren. Darunter stellt er sich etwas anderes vor, mehr eine Nummer mit Mandy, Nancy oder Cindy. Aber die waren scharf auf Danny. Die Welt war ungerecht. Er verstand sowieso nicht genug von dem englischen Text.
Fred wusste, dass Rikki ein Mungo war, der Schlangen tötete, das hatte er bei Donovan erfahren, Rikki Tikki Tavi hieß der mit vollem Namen. Da musste man ganz genau aufpassen, dass man den Vokal korrekt auswarf. Politisch nicht korrekt, das  gab es zwar noch nicht, aber eine Ahnung davon. Überhaupt war die Aktion Sorgenkind gerade erst angelaufen, und da machte man keine Scherze, höchsten wenn man unter Seinesgleichen war.
Fred war verwirrt. Was sollte diese ganze Geschichte mit der Nummer? Es gab ja noch nicht mal ein Handy. Auch den Begriff Festnetz gab es nicht, Telefon hieß das. Wer sich keine höchstens vierstellige Telefonnummer merken konnte, der hatte auch keinen Anspruch auf eine Nummer. Da konnte einem Rikki nicht leid tun. Steely Dan blättert in den Prospects wie in einem offenen Buch. Leider konnte er nicht lesen. Da half auch keine Mukki-Bude; eine Rockergang, die sich Free Willies nannte, war sowieso zu ignorieren, vielleicht hatten die den Film "Free Willy"nie gesehen, da hätten die noch mal schwer überlegt, ob so ein Name nicht eine Art Selbstdiskriminierung ist.
Wie weit ausladend und doch so einladend, wie ausschweifend und doch abschweifend konnte Rockmusik nur sein....