Appelle und Fliehkräfte

Gestern schlagzeilte der Weseranzeiger "Appelle und Fliehkräfte" und der Leser runzelt die Stirn. Kryptische Überschrift oder Ergebnis euphemistischer Kreativität? Man mag es dem eher tumb daherkommenden  CSU-Chef Seehofer  nicht abnehmen und der Betulichkeit der Kanzlerin im Dreiknopfkostüm nicht zutrauen, das Wort erfunden zu haben: Fliehkräfte klingt doch viel schöner als Flüchtlinge!
Flüchtlinge - das provoziert doch Hilfsbereitschaft, oder wenigstens ein schlechtes Gewissen, das der Gutmensch - wenn auch als Unmensch des Jahres gekürt - sofort in Handlung umsetzen will, oder intensiv darüber nachdenkt.
Flüchtlinge. Da war das Wort Asylanten schon besser für den Deutschen, der Angst um seinen Arbeitsplatz oder seine Sozialzuwendung oder seinen BMW hat. Asylanten  und Bummelanten, Querulanten und Intriganten. Die konnte man in einen Topf werfen und den Deckel draufhalten. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Aber Flüchltinge? Das Wort ist unerträglich vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit, wo Deutsche auch Flüchtlinge waren oder hätten sein müssen.
Da kommt das Wort Fliehkräfte schon besser an.
Das klingt wie Fachkräfte. Fachkräfte für Migration etwa, oder Fachkräfte für Lagerlogistik.
Fliehkräfte, das klingt kompetent und lebenstüchtig, da weiß man, dass die es alleine schaffen, was wir nicht schaffen, auch wenn es die Kanzlerin zur Litanei gemacht hat.
Fliehkräfte sind wie Fachkräfte sind wie Arbeitskräfte, und die kann man nach Bedarf freisetzen. Wie es die Wirtschaft nennt. Nicht ausweisen. Fachkräfte weist man nicht aus, man entlässt sie nicht mal, von ihren Verpflichtungen etwa, man setzt sie frei. Als seien sie vorher inhaftiert gewesen, und jetzt tut man ihnen etwas Gutes. Das Freisetzen der Fliehkräfte, da brummt auch der Seehofer zufrieden. Glückwunsch der christlich-sozialen Gesinnung! Und der christlich-demokratischen! Wenn man die Umstände nicht ändern will, dann wenigstens die Wörter. Damit die Welt besser wird, gib ihr einfach einen anderen Namen. Fliehkräfte. Warum ist da nicht schon eher jemand daruf gekommen, dann hätten wir uns das Debakel um Schaffenwir, Ausgleich und Obergrenzen sparen können, und niemand hätte sich einer kriegstreiberischen Türkei anbiedern müssen, die jetzt mit 6 Milliarden Euros in Saus und Braus leben kann, bzw. sich intensiver dem Kurdenproblem widmet. Fliehkräfte. Man kann nur hoffen, dass nicht eines Tages Europa und der Rest der Welt aus der Kurve fliegen.